Künstler | He Is Legend | |
Album | White Bat | |
Label | Spinefarm Records | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
He Is Legend scheinen sich gerade ziemlich wohl zu fühlen mit ihrem Dasein. „Im Kern sind wir eine Rockband. Wir leben für die eine Stunde, die wir jeden Abend auf der Bühne stehen können. Momentan haben wir einen neu entdeckten Optimismus beim Blick auf unsere Musik und unsere Gruppe. Wir sind inspiriert. Und aus zwei Jahren auf Tour, mit Höhen und Tiefen und einigen verrückten Sachen, die passiert sind, haben wir ein Juwel erschaffen“, sagt Frontmann Schuylar Croom über White Bat, das sechste Album des 2003 gegründeten Quartetts aus North Carolina.
Damit ist seine Schwärmerei (und Eigenwerbung) noch lange nicht am Ende. „Wir haben uns nie wohler in unserer Rolle gefühlt als jetzt“, sagt Croom, was eine überraschende Aussage ist, hatten He Is Legend doch stets ein wenig damit zu kämpfen, dass sie sich in der Welt der harten Gitarrenmusik zwischen alle Stühle gesetzt (und entsprechend überschaubaren kommerziellen Erfolg) hatten. Auch auf White Bat ist ihr Sound mal in der Nähe von Bands, die noch vom Grunge geprägt waren wie beispielsweise Filter, mal stärker im Metal verortet, etwa vergleichbar mit Killswitch Engage, Sevendust, Gwar oder Underoath, mit denen sie durchweg schon auf der Bühne gestanden haben. Der Sänger ist dennoch überzeugt, dass He Is Legend nun ihre endgültige Gestalt gefunden haben. „Diese Platte ist die beste Entsprechung unseres Sounds. Wir haben ein Album für große Bühnen geschrieben, wir haben die Essenz und das Leben der Band in seiner pursten Form zum Ausdruck gebracht. We’re fucking back. We’re here. It’s time to rock.”
Angesichts dieser Zuversicht ist es zunächst ein Schock, wie düster die Themen auf White Bat sind. Das zeigt schon der Titelsong, in dem Croom ein wenig wie James Hetfield klingt und Zeilen wie „Call me evil, call me Satan“ singt und das beunruhigende Mantra „They call me White Bat / I kind of like that“ äußert. „White Bat ist ein Name, den ich einem fiktiven Serienkiller gegeben habe. Er kämpft mit seinen inneren Dämonen und will herausfinden, ob er von Fantasien heimgesucht wird, oder ob er all diese Taten wirklich begangen hat“, umreißt der Sänger das Thema der Single und das lose Konzept für das Album. Inspiriert wurde er dazu vom Kriminalroman I’ll Be Gone In The Dark von Michelle McNamara, das die Jagd nach dem Golden State Killer beschreibt, der in den 1970er und 1980er Jahren mindestens 13 Morde in Kalifornien verübt haben soll, dazu etliche Vergewaltigungen.
Um in die richtige Stimmung für neue Songs zu kommen, besuchte Croom zudem das Grab von Walt Disney, weitere Friedhöfe und das Museum of Death in Los Angeles. Auch diese Referenzen bilden einen maximalen Kontrast zur Zufriedenheit, die gerade bei He Is Legend herrscht, aber der Sänger betrachtet das Schreiben, als würde er in eine Rolle schlüpfen und dafür recherchieren, sagt er. In einigen Momenten von White Bat kann man allerdings auch die Leichtigkeit erkennen, die Croom und seine Bandkollegen Adam Tanbouz (Gitarre), Matty Williams (Bass) und Jesse Shelley (Schlagzeug) nach eigener Auskunft gerade empfinden. Eye Teeth hat über weite Strecken eine große Härte, aber auch eine fast einladende Gesangsmelodie im Refrain. Burn All Your Rock Records ist einer von etlichen Tracks, die zugleich eingängig und furchteinflößend sind. Uncanny Valley wird beinahe eine Ballade, aber mit viel Druck. Auch Bent zeigt: Es braucht bei dieser Band kurze Momente der (zumindest angedeuteten) Leichtigkeit, damit die Brachialität drumherum umso besser wirken kann.
Neben dieser Eingängigkeit ist die Vielseitigkeit das entscheidende Merkmal von White Bat. Als Grund dafür sieht der Sänger die unterschiedlichen Geschmäcker der Bandmitglieder, die indes von einem großen Zusammenhalt aufgefangen werden. „Matt, Adam und ich spielen seit fast 17 Jahren gemeinsam in Bands. Jesse ist zwar erst seit drei Jahren dabei, aber in dieser Zeit schon ein enger Freund geworden. Jeder von ihnen bringt ganz bestimmte Ideen für unseren Sound mit, und niemand zerbricht sich den Kopf darüber, ob die eine oder andere Zutat vielleicht gar nicht zu unserem Rezept passt. Alles greift ineinander. Deshalb ist White Bat so etwas wie die Steigerung von He Is Legend. Es klingt wie ein Mix aus all unseren Alben zusammengenommen.“
Dass die vier Musiker nicht gemeinsam im Studio waren, sondern ihre jeweiligen Spuren an unterschiedlichen Orten aufgenommen haben, merkt man der Platte kaum an. Lediglich Skin So Soft wird etwas gewöhnlich, diesen Eindruck scheint es allerdings am Ende mit besonderer Urgewalt noch ausräumen zu wollen. When The Woods Were Young zeigt die große Musikalität dieser Band, Boogiewoman wagt zum Abschluss der Platte das Spiel mit Sex, Gender und Tod – der Urvater dieser Idee ist natürlich Alice Cooper. Bei Resister, Resist Her kann man hingegen an Incubus oder die Smashing Pumpkins denken, zu denen auch die Zeile „We’ve got nothing left to lose / except the rest of our minds“ passen würde. Einen noch besseren Zweizeiler bietet das ebenfalls vergleichsweise softe The Interloper: „You are one in a million / I am a million in one.“
Bei aller Vielfalt und bei all den Überraschungen, die fast jeder Song auf White Bat bereit hält, zeigt dieser Vers auch, was He Is Legend wohl im Kern ausmacht und zusammenhält: Sie sind, nicht nur im Hinblick auf ihr Genre, noch immer Außenseiter, aber sie können mittlerweile gut mit dieser Rolle leben und schöpfen sogar Kraft daraus. Wie singt Schuylar Croom doch treffend in Talking Stalker, das am Anfang sogar Blues-Anleihen erkennen lässt? „Watch out for the weirdos!“