Künstler*in | Hedvig Mollestad Trio | |
Album | Ding Dong. You’re Dead | |
Label | Rune Grammofon | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Cargo Records / Julia Naglestad |
Beinahe wäre mir in diesem Text ein Tippfehler unterlaufen. Als ich die Hintergründe zum siebten Album des Hedvig Mollestad Trio zusammengetragen habe, schrieb ich versehentlich „Borwegen“. Vielleicht war da der alte Dr. Freud am Werk, denn die Eckdaten zu dieser Platte klingen wirklich nach Dingen, die ich normalerweise langweilig finde: Jazz, Musikhochschule, Instrumentalmusik.
Doch was Gitarristin Hedvig Mollestad, die im vergangenen Jahr mit Ekhidna auch ihr Solodebüt vorgelegt hat, hier mit Ellen Brekken (Bass) und Ivar Loe Bjørnstad (Schlagzeug) veranstaltet, ist für Musik, die auf Gesang verzichtet und sich im Grenzgebiet zwischen Jazz und Hardrock bewegt, erstaunlich interessant. Das Trio, das sich auf der Musikhochschule in Oslo kennengelernt hat, spielt seit 2009 zusammen und hinterlässt Kritiker*innen in der Regel genauso begeistert wie die Besucher*innen ihrer Konzerte.
Wie das gelingt, zeigt Ding Dong. You´re Dead vom ersten Moment an: Das Hedvig Mollestad Trio vereint die Komplexität, die diesem Genre eigen ist, mit sehr organisch wirkenden Arrangements und genug Überraschungsmomenten. Der Opener Leo Flash Return To The Underworld ist ein gutes Beispiel: Der erste Teil des Stücks klingt noch, als seien die Instrumente verstimmt, dann entwickeln Brekken und Bjørnstad viel Power, während Mollestad mit einem geheimnisvoll dumpf-verwehten Solo glänzt – und da sind erst die ersten zwei Minuten des Tracks vorbei. Später kommen immer wieder wirkungsvolle Akzente hinzu wie durch das Splash-Becken oder einen Bass, der kurzzeitig Stoner-Rock-Territorium erkundet. Sie sorgen dafür, dass diese Musik nicht ins Reich der Selbstverliebtheit abdriftet, wie es bei vielen artverwandten Acts so schnell passiert.
Sie beherrschen Atmosphäre und Gefühl (wie im reduzierten Album-Abschluss Four Candles) genauso wie Groove und Geschwindigkeit (wie in der Single All Flights Cancelled), im Titelsong Ding Dong. You´re Dead überraschen sie unter anderem mit einem Kontrabass, der eingangs wie ein Cello klingt, und später mit einer Gitarre, die man für ein Vibraphon halten könnte – das Ergebnis ist zurückhaltend, tastend und durchaus auch ein bisschen spooky. Bei Magic Moshroom und The Art Of Being Jon Balkovitch man muss nicht so weit gehen, dass die Titel das Beste daran seien, aber die beiden Stücke sind am weitesten experimentell und am wenigsten überzeugend, auch wenn hier Hedvig Mollestads Fähigkeiten an der Gitarre (sie hat als Zehnjährige an diesem Instrument begonnen) am deutlichsten werden, weil sie am weitesten Raum bekommen.
Vielleicht besonders exemplarisch für den Sound auf Ding Dong. You´re Dead ist Gimbal. Kamera-Profis kennen diesen Begriff vielleicht. Es ist eine Aufhängung, die dafür sorgt, dass Bilder bei Foto- oder Videoaufnahmen auch dann stabil bleiben, wenn die Kamera wackelt. Das ist ein schönes Bild für diese Musik, deren Sound insgesamt vertraut ist und im Detail dennoch geheimnisvoll wirkt: Sie begibt sich manchmal mit offensichtlich gefährlicher Energie auf vermeintlich holprige Pfade und hält dabei doch alles in der Balance.