Her’s – „Invitation To Her’s“

Künstler Her’s

Invitation To Her’s Her's Review Kritik
In der Mensa begann die Geschichte, die zu „Invitation To Her’s“ führte.
Album Invitation To Her’s
Label Heist Of Hit
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

„Unsere Band funktioniert, weil sie aus Freundschaft entstand und nicht anders herum“, sagen Audun Laading und Stephen Fitzpatrick. Der eine stammt aus Norwegen, der andere aus Barrow-in-Furness im Nordwesten Englands. Gemeinsam sind sie Her’s aus Liverpool und die Intensität ihrer Verbindung ist auf dem gerade erschienenen Debütalbum Invitation To Her’s (2017 gab es schon die Sammlung Songs Of Her’s mit neun Liedern, aber das Duo betrachtet diese Platte als erstes Album) unverkennbar. Vieles in ihrem Zusammenspiel funktioniert intuitiv, zugleich haben sie bereits eine sehr eigenständige Ästhetik entwickelt. „Einfach alles hat sich total natürlich angefühlt und wir haben uns einfach treiben lassen und immer mehr Shows gespielt“, sagt Audun Laading über das Kennenlernen in der Uni-Mensa und den Weg, den Her’s seitdem gegangen sind.

Der wichtigste Bezugpunkt neben ihrer Freundschaft sind die Achtziger. Für ein Lied wie die Single Love On The Line (Call Now) hätte vor 35 Jahren die Hälfte aller in den Charts vertretenen Künstler getötet. Mannie’s Smile hat eine auffällige Smiths-Gitarre, Low Beam verweist auf die Eighties in seiner New-Wave-Ästhetik, aber auch in der Stimme, die hier auf Billy Idol macht.

Natürlich dürfen auch andere Jahrzehnte bei der Inivitation To Her’s wiederauferstehen. Die Sixties klingen deutlich in Blue Lips an, wo der ohnehin meist sehr auffällige Bass eine besonders prominente Rolle einnehmen darf. Aus den Fünfzigern (die Fernsehserie The Twilight Zone aus dieser Ära benennen Her’s als einen ihrer wichtigsten Einflüsse) könnte Carry The Doubt stammen, das ein bisschen Easy-Listening-Latinrhythmus mit einem Crooner-Gesang paart. Don’t Think It Over hat eine träge Eleganz, wie sie vielleicht zu Pierce Brosnan passen könnte – ein Porträtbild des 90er-Jahre-James-Bond setzt die Band gerne als Live-Maskottchen ein.

Dass Her’s bei aller Intensität der Beziehung kein abgeschlossenes Zwei-Mann-Universum sind, trägt ebenfalls zum Gelingen der Platte bei. Zum Umfeld des Duos gehören beispielsweise die Musiker-Kollegen Trudy And The Romance, The Orielles, Pizzagirl und Jimmy Lazers. Auch mit Produzent Saam Jafarzadeh, in dessen Heimstudio Invitation To Her’s aufgenommen wurde, machte es schnell Klick: „Er hat diese semi-nette Katze und eine anständige Couch, aber vor allem ist die Stimmung so gut da, dass sie uns all den Druck nimmt,“ erzählte Audun Laading während der Sessions. „Es muss eine positive Energie zwischen allen herrschen, um über Dinge reden zu können, in die du so stark investiert bist. Als wir Saam das erste Mal trafen, wurde schnell klar, dass wir das neueste Mitglied unserer Familie gefunden hatten.“

Gemeinsam mit ihm ist ein manchmal etwas selbstverliebter, aber erstaunlich vielseitiger Sound entstanden. If You Know What’s Right ist funky im Stile von The Virgins oder The Kooks und glänzt mit einer klasse Melodie im Refrain. Das etwas spinnerte Breathing Easy scheint einen verkaterten Spaziergang im Morgengrauen über einen geschlossenen Jahrmarkt heraufzubeschwören. She Needs Him wird erst sehr munter und dann so komplex, dass man gar nicht begreift, wie plötzlich das ziemlich melancholische Finale des Songs entstanden ist.

Eröffnet wird Invitation To Her’s von Harvey, sehr verspielt und mondän, begleitet von einem Gesang mit der Coolness von Julian Casablancas, allerdings so, als wäre der ausschließlich mit Musik von Serge Gainsbourg aufgewachsen. Den Abschluss des Albums macht Under Wraps, das vielleicht die beste Zusammenfassung für die Musik von Her’s ist: Sie klingen wie die Jungs aus der Raucherecke, die aber heimlich durchaus ab und zu mal tanzen und kuscheln wollen.

Zu Harvey gibt es ein inoffizielles Video mit Paris, Blumen und historischem Tanz.

https://www.youtube.com/watch?v=7bx2f9BfF1Q

Im Oktober gibt es zwei Deutschlandkonzerte des Duos:

10.10.18 Berlin – Maze
11.10.18 Köln – Acephale

Website von Her’s.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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