Ich glaube nicht an Voodoo. Folkert Koopmanns wahrscheinlich auch nicht. Doch bei der Organisation des Highfield-Festivals hätte der Geschäftsführer von Highfield-Veranstalter FKP Scorpio ein paar Mal schwer ins Grübeln kommen können, ob da nicht doch irgendein böser Zauber im Spiel ist.
Manch einer war dem Highfield nicht gerade wohlgesonnen, nachdem der traditionelle Standort in Hohenfelden (Thüringen) aufgegeben worden war – und der neue auch noch in der Nähe von Leipzig (im bei Thüringern nicht gerade beliebten Sachsen) lag. Dass man so eine Institution einfach woanders hin verpflanzt (und auch noch den Namen mitnimmt), kommt bei Rockfans – die per se ja eher auf Beständigkeit und Tradition achten – eben nicht allzu gut an. Dass der Umzug neben einem auslaufenden Pachtvertrag auch damit zu tun hatte, dass die Veranstalter das Highfield künftig noch größer aufziehen wollen, stößt bei Festivalbesuchern – die zwischen all den Telekomhänden und wandelnden Zigarettenautomaten schon genug von Kommerz umringt sind – auch nicht auf bedingungslose Gegenliebe.
Fakt ist: Wenn irgendwo ein Highfield-Hasser seinen Voodoozauber betrieben hat, dann hat er einen verdammt guten Job gemacht.
Zauber 1: Die Loveparade-Tragödie. Nach den Todesfällen dort wurden die Pläne für das neue Highfield-Gelände noch einmal besonders gründlich geprüft – mit entsprechendem Stress für die Macher.
Zauber 2: Band-Absagen. Wegen Todesfällen in der Familie mussten Skindred und Black Rebel Motorcycle Club kurzfristig passen. Schon Wochen vor dem Festival waren New Young Pony Club aus dem Programm gefallen, für sie wurde immerhin Ersatz gefunden: Fotos aus Hamburg übernahmen den Slot am frühen Freitagabend.
Zauber 3: Dauerregen. Wenn irgendjemand im engeren Umkreis von Hohenfelden Anfang der vergangenen Woche stundenlang einen auffälligen Kulttanz vollführt hat, dann würde ich gerne mal ein ernstes Wort mit ihm reden. Denn wenn es ein Regentanz war, dann hat er mehr als gut funktioniert: Nach ganz viel Niederschlag auf der Halbinsel am Störmthaler See standen die Veranstalter am Mittwochmorgen tatsächlich vor der Frage, ob sie das ganze Highfield absagen sollen. „Bis dahin hätten wir noch die Reißleine ziehen können, danach wäre es zu spät gewesen“, sagt Koopmanns. Und er verrät mir: „Wäre das Highfield noch in Hohenfelden gewesen, hätten wir bei solch extremen Wetterverhältnissen alles abgesagt. Aber beim ersten Highfield in Großpösna wäre das katastrophal gewesen. Die Leute hätten gedacht, dass wir zu blöd sind, einen passenden Standort zu finden“, sagt er.
Die Entscheidung, das Festival durchzuziehen, war nicht nur mit einem ziemlichen Risiko verbunden (Gott sei Dank schien ab Freitag die Sonne, so dass alles recht schnell trocknete), sondern auch mit riesigem Aufwand und entsprechenden Kosten für die Organisatoren. Unter anderem wurden mehr als 8000 Quadratmeter Bodenabdeckungen und mehr als 2000 Tonnen Schotter kurzfristig nach Großpösna in die Nähe von Leipzig gekarrt. Man darf fast sicher sein: Geld verdient hat FKP Scorpio mit dem Highfield diesmal nicht, denn auch die Besucherzahl blieb hinter den Erwartungen zurück: 22.000 Fans kamen – weniger als im Vorjahr in Hohenfelden und auch weniger als auf das neue Gelände passen, das bis zu 25.000 Besuchern Platz bietet und noch ausgebaut werden soll.
Zauber 4: Die Headliner. Das Highfield hatte in diesem Jahr, ähnlich wie viele andere deutsche Festivals, ein Headliner-Problem. Kein Wunder: Es gibt nur wenige richtig große Namen im Musikgeschäft. Und um genau die reißen sich an den Wochenenden im Sommer immer mehr Festivals in ganz Europa. Mit Billy Talent (international keine allzu große Nummer), Placebo (die solide waren, aber seit Jahren nichts Aufregendes mehr gemacht haben) und Blink-182 (deren letztes Album vor sieben (!) Jahren sage und schreibe Platz 14 (!) der deutschen Charts erreichte) war man jedenfalls nicht so gut aufgestellt wie in manchem der Vorjahre. Um fair zu sein, muss man aber sagen: Auch deshalb sind die Veranstalter umgezogen. Nur ein größeres Gelände mit entsprechenden Mehr-Einnahmen dürfte es ermöglichen, in den kommenden Jahren wieder richtige Kracher zum Highfield holen zu können.
Zauber 5: Gewitter. Nach zweieinhalb Tagen in schönstem Sonnenschein, und kurz nachdem die Organisatoren in der Pressekonferenz doch noch ein halbwegs versöhnliches Fazit gezogen hatten, lief der Voodoo-Zauberer noch einmal zu großer Form auf. Kurz nach 20 Uhr fegte ein hübsches Unwetter über das Highfield hinweg – samt peitschendem Regen, Blitz, Donner und heftigem Wind. Fettes Brot mussten ihre Show auf der Hauptbühne für 20 Minuten unterbrechen. Auch im Zelt gab es Sicherheitsbedenken, weil die Statik leiden könnte, wenn der Boden weiter aufgeweicht wäre. Doch auch dort konnte dann weitergespielt werden.
Trotz allem: Das Highfield war insgesamt okay. Das neue Gelände ist praktisch (und soll im nächsten Jahr noch besser gestaltet sein, wie Koopmanns versprach), das Wetter war bis auf die letzten paar Stunden ein Festival-Traum und schließlich gab es auch gestern viele gute Shows zu sehen.
Vorab muss ich zugeben: Ich hatte mich sehr auf Blink 182 gefreut, habe mich dann aber doch vom Gewitter in die Flucht schlagen lassen und bin vorzeitig abgereist. Nach allem, was man hört, haben die Jungs aber überzeugt. Immerhin war Drummer Travis Barker schon vorher kurz auf der Bühne gewesen: Er unterstützte NOFX kurz bei deren Show, die sagenhaft kalifornisch war. In diesem Alter noch so pubertär, scheißdrauf und kurzweilig zu sein, ist schon eine Leistung.
NOFX selbst ließen es sich dann nicht nehmen, The Sounds ihre Aufwartung zu machen. Schon während ihrer eigenen Show hatten sie dazu geraten: „Wenn ihr schlau seid, geht ihr jetzt zur Tent Stage, denn da spielen gleich The Sounds“, empfahl Sänger Fat Mike allen Ernstes seinen eigenen Fans. Und kaum waren NOFX mit ihrer Show am Ende, tauchten sie am Bühnenrand beim Auftritt der Schweden auf.
Und dieser Auftritt war fantastisch. Wenn man „Spaß“ definieren müsste, würde das ungefähr so aussehen: eine hüpfende Menge, packende Beats, tolle Melodien und eine extrem gut aussehende Band auf der Bühne, die irgendwie Punk ist, aber auch kein Problem damit hat, mal kurz wie Roxette zu klingen. Was zusätzliche Bonuspunkte bringt: Im Interview erwies sich Sängerin Maja Ivarsson, die auf der Bühne gerne die Schlampe gibt samt „Motherfucker“-Ansagen und einem Security-Mann, den sie zwischen ihren Schenkeln einklemmte, als verdammt nett und höchst clever. Nicht zu fassen.
Auch bei Bela B. gab es reichlich Kraftausdrücke. Wenn ich das richtig verstanden habe, ging es um die Pimmel von Fettes Brot. Und ansonsten, wie immer bei Bela, um Rock-Entertainment der schrägeren Sorte.
Ein Highlight war auch die Band Of Horses. Um es kurz zu sagen: Kings Of Leon für Mädchen – und das ist nicht als Beleidigung gemeint. Wo KoL aus den Siebzigern vor allem den Machismo und das Erdige übernommen haben, setzen Band of Horses auf himmlische Harmonien und etwas sanftere Hippie-Elemente. Sehr gelungen.
Fettes Brot revanchierten sich dann für den Penisneid von Bela B. und ließen sich auch durch die Gewitter-Zwangspause nicht aus der Ruhe bringen (schon im Interview hatten sie einen extrem entspannten Eindruck gemacht). Es gab die äußerst unterhaltsame Rap-Revue, die man inzwischen von ihnen gewohnt ist: mit vielen Hits und kleinen Überraschungen, diesmal allerdings etwas lahmen Ansagen zwischen den Songs. Für ihren Auftritt gilt, was auch für Gelände, Zuschauerzahl und Line-Up beim Highfield gilt: noch ausbaufähig.
Sehr geil: The Sounds spielen Tony The Beat live beim Highfield 2010:
httpv://www.youtube.com/watch?v=PnYXumZ6vpw
Hier gibt es jede Menge Fotos vom Highfield 2010.
Eine abgewandelte Version meiner Highfield-Eindrücke gibt es auch bei news.de.
Wie hiess das Lied das auf dem Zeltplatz ca. 20 Stunden lief?????
Ich muss es haben! Aahhhhh!