Wie schon gestern, soll es auch heute die Highfield-Zusammenfassung in Form von zehn lehrreichen Erkenntnissen geben. Warum das die einzig wahre Form ist, darf diesmal Wilhelm Busch mit einem schlauen Spruch begründen: „Wer zusieht, sieht mehr, als wer mitspielt.“ Und zugesehen habe ich reichlich (mitgespielt nur kurz beim Beachvolleyball, in einem sehr unpassenden Outfit. Aber dazu demnächst mehr). Hier also die Bilanz des Samstag aus Großpösna.
1. Sollte man mal irgendwann einen kurzfristigen Ersatz für Frank Turner suchen (das kam beim Highfield ja auch schon mal vor), dann ist Rob Lynch auf keinen Fall die schlechteste Lösung.
2. The Menzingers zeigen: Die Musik, aus der dann irgendwann Emo wurde, ist nicht tot.
3. Es gibt Leute, die (ohne dafür bezahlt zu werden) Danko-Jones-Sprechchöre anstimmen.
4. Es ist zu einfach geworden, Musik zu machen. Früher musste man dafür ein Instrument erlernen oder sich durch halbwegs komplizierte Software arbeiten. Das brauchte Geduld, Arbeitseifer, Konzentration, im besten Falle auch ein bisschen Talent. Und das führte zu einer Selektion: Leute, bei denen es mit Geduld, Arbeitseifer, Konzentration und Talent nicht so weit her ist, fielen durchs Raster. Sie mussten sich anderweitig beschäftigen, beispielsweise mit Kiffen. Heute können diese Leute mit ein paar Mausklicks auch Musik machen. Sieht man Bands wie die 257ers, fragt sich, ob das eine begrüßenswerte Entwicklung ist. Shneezin, Mike und Keule bieten ganz viel Dünnpfiff, Pöbeln und Baukasten-Beats. Wie wenig sie selbst zu bieten haben, untermauert gegen Ende ihrer Show noch eine musikalischen Sample-Rundreise von Lemon Tree bis Marteria. Keine Ahnung, wie man das nüchtern ertragen soll. Die Idioten, die sich früher bei Festivals rabiat den Weg in die erste Reihe gebahnt und an der Biertheke immer vorgedrängelt haben, stehen mittlerweile auf der Bühne.
5. Auch Prinz Pi fällt in diese Kategorie. Seine Musik ist nicht nur dumm und schlecht, sondern auch langweilig. Sein Auftritt beim Highfield zeigt: Wenn Deutschland in 20 Jahren am Arsch ist, dann sind zu 10 Prozent die Chinesen schuld, zu 30 Prozent die Merkel und zu 60 Prozent Prinz Pi und Konsorten. Wer das für Rap hält, der hält auch Pur für Rock’N’Roll.
6. ZSK ist die offizielle Abkürzung für: Punk’s Not Dead. Die Jungs liefern alles, was das Genre ausmacht, und zwar in der Ultra-Variante. Dazu gehören reichlich politische Botschaften in und zwischen den Songs, auch eine Coverversion von Iggy Pops The Passenger ist dabei. Schaut man, wie sich das Programm am Samstag dann noch weiter entwickelt, liegt zudem der Verdacht nahe: Berlin ist gar nicht so weit weg von Gainesville, Florida.
7. Es gibt keinen besseren Anfang für eine Festival-Show als die Worte „Ohoho“. Mit genau diesen kommen The Gaslight Anthem auf die Highfield-Bühne, und danach folgt ein erstaunlich wirkungsvolles Konzert. Frontmann Brian Fallon singt in I Coul’da Been A Contender zwar die Zeilen „There’s a dirty wind blowing, there’s a storm front coming“, freut sich aber sichtlich über gutes Wetter und gute Stimmung in Großpösna. Das überträgt sich offensichlich auf die Spiellaune der Band: Bei The Gaslight Anthem könnte man glatt Fan von dieser Rockmusik-Sache werden, wenn man es nicht schon wäre. Als die Show mit The ´59 Sound und Backseats zu Ende geht, haben sie alle glücklich gemacht. Es gibt am Samstag beim Highfield keine andere Band, die so wenig versucht, spektakulär zu sein, und dabei so überzeugend wird.
8. Wie die Sache mit kreativem deutschen HipHop funktioniert, zeigten KIZ als Headliner auf der Blue Stage und zuvor auch Alligatoah. Er ist provokant und sogar vulgär, ohne deshalb sein Hirn wegwerfen zu müssen – und auch noch abwechslungsreich. Das Highfield dankt es ihm mit einer erstaunlich großen Zuschauermenge.
9. Die Dropkick Murphys werden beim Highfield so sehnsüchtig erwartet, dass schon die Mandoline beim Soundcheck einen Szenenapplaus bekommt. Als die Show dann beginnt, eilen die Fans von der anderen Bühne herbei wie Motten, die vom Licht angezogen werden. Es wird ein großes Fest: Jeder Mann wird stärker, jede Frau wird schöner, jedes Bier wird kälter, wenn diese Band spielt. Und genau diesen Effekt sollte Musik ja haben.
10. Millencollin sind die besseren Offspring.
Schöner Beitrag. Trotzdem zwei Anmerkungen:
1. Millencolin: Ich weiß nicht wo Du gestanden hast, aber der Sound war absolut grauenhaft Ich stand unmittelbar in Nähe des Technikturms, da hätte es eigentlich optimal sein sollen. Schade für diese wirklich hervorragende Band.
2. The Offspring: Ich finde es ziemlich unproffesionell, eine 90-Minuten-Show nach ca. 60-Minuten abzubrechen, ohne dass es einen ersichtlichen Grund gab. Der Social-Media-Abteilung vom Veranstalter viel dazu auch nicht viel ein. Anfragen auf Twitter wurden glatt ignoriert.