Künstler | ABAY | |
Album | Everything’s Amazing And Nobody Is Happy | |
Label | Unter Schafen Records | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
“Only the dead swim with the stream”, singt Aydo Abay in A Boat, dem vorletzten Lied dieses Albums. Es ist eine Klavierballade mit großer Ernsthaftigkeit, und besagte Zeile speist sich eindeutig aus eigener Erfahrung: Als Sänger von Blackmail hat Aydo Abay 14 Jahre lang bewiesen, dass man in Deutschland alternative Gitarrenmusik in einer Qualität machen kann, die zuvor niemand hierzulande für möglich gehalten hätte. Danach wählte er wieder den ungewöhnlichen Weg: 2008 verließ er die Band, um sich in Projekten wie KEN oder Crash:Conspiracy auszuprobieren.
Jetzt gibt es Abay, die Bezeichnung als „Projekt“ weisen sie allerdings von sich. Vielmehr handelt es sich um ein „Duo mit Band“, so die Selbstbeschreibung. Die andere Hälfte des Duos ist Jonas Pfetzing, Gitarrist und Songwriter von Juli. Zu den weiteren Mitstreitern gehören insgesamt 25 Musiker, mit denen Abay und Pfetzing die mehr als 80 Songs in sechs verschiedenen Studios aufgenommen haben, die sie für das übermorgen erscheinende Everything’s Amazing And Nobody Is Happy gemeinsam geschrieben hatten.
Wenn man will, kann man diesem Album die Indie-Gene anhören, die Abay mitbringt, und die Lust auf Melodie, die Pfetzing in seiner Band ausgelebt hat. Different Beds bietet Theatralik und Larmoyanz à la Placebo. Out Of The Sun, der Schlusspunkt von Everything’s Amazing And Nobody Is Happy, beweist nicht nur durch das schicke Streicher-Arrangement, dass hier in ganz großen Kategorien gedacht wird, in Hymnen. Signs wirkt, als tanze Roman Fischer einen gefälligen Shuffle.
Dass der Underground-Geist gegenüber der Radio-Tauglichkeit überwiegt, zeigt nicht nur die Tatsache, dass Abay allein zum Namensgeber für dieses Duo wurde, sondern auch die Entstehungsgeschichte dieser Band: Pfetzing traf Abay in einem Berliner Spätverkauf und gab sich als Blackmail-Fan zu erkennen, daraus entstand dann eine Zusammenarbeit. Der eine ist hier also der Stilprägende, der andere sein Bewunderer.
Vielleicht liegt es auch an diesem Gefälle, dass viele Momente des Albums auf dem Level von okay und ganz nett bleiben. Ein paar Lieder sind zu lang, nicht weil noch Text unterzubringen wäre, sondern weil sich Abay offensichtlich in den Sound der instrumentalen Passagen verliebt haben. Schlecht ist freilich nichts: Zu Beginn von Fen Fire tickt die Uhr, dann gibt es viel Drive. Easy Ease ist forsch und verspielt, so wie der Titelsong Everything’s Amazing And Nobody Is Happy hätte vielleicht das Alterswerk der Vines geklungen, hätten sie es jemals bis zu einem Alterswerk geschafft.
Die Highligts sind, wie sich das gehört, die Singles. The Queen Is Dead ist keine The-Smiths-Coverversion, sondern ein Lied, das laut Aydo davon handelt, dass „der Mensch komplett versagt hat“. Der Song steht mit einer Dosis an Dramatik und Fantasie, die an Get Well Soon gemahnt, am Beginn des Albums. Es gibt Klavier und Gesang, kein Abtasten, sondern sofort einen Bekenntnis-Charakter, der auch die späteren Songs prägt. Nach einer guten Minute setzen die restlichen Instrumente ein und das Lied dreht auf, ohne aber enthemmt zu werden – auch das ist eine Methode, die sich auf dem Album immer wieder findet.
1997 (Exit A) hingegen könnte mit straightem Beat, verzerrtem Bass und energischer Akustikgitarre ein heiterer Moment von The Cure sein. Auch die Aufforderung, das Unglück ins Herz zu schließen, passt dazu: „I’m losing it all again“, singt Abay mit fast seliger Stimme. Bei jemandem, der so notorisch gegen den Strom schwimmt, könnte das fast als Freudenschrei durchgehen.
Axel Prahl spielt mit im Video zu 1997 (Exit A).
Abay sind im September auf Tour:
13.09. Berlin, Privatclub
14.09. Hannover, LUX
15.09. Leipzig, Naumanns
16.09. München, Kranhalle
17.09. CH – Bern, Rössli
18.09. Augsburg, SOHO Stage
20.09. Stuttgart, Goldmarks
21.09. Frankfurt, Nachtleben