Künstler | Apothek | |
Album | Apothek | |
Label | Propeller Recordings | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
„There’s a gap somewhere that used to be us“, singt Morten Myklebust in Waiting For The Thunder, dem zweiten Stück auf dieser Platte. Es ist eine Zeile, die sehr gut das wichtigste Thema auf dem Debütalbum von Apothek zusammenfasst. Die Fliehkräfte von Beziehungen werden hier immer wieder angesprochen, das Entfremden, Auseinanderdriften, Abnutzen.
Erstaunlicherweise sind es genau diese Fliehkräfte, die zugleich den Reiz von Apothek ausmachen. Denn die erwähnte Lücke ist natürlich kein Nichts, sondern tatsächlich ein Ort, in dem man sich aufhalten kann, eine Realität. Mehr noch: Sie ist die Heimat von Apothek. Denn gerade aus ganz unterschiedlichen Werdegängen und künstlerischen Vorstellungen entsteht die Musik dieses 2013 in Oslo gegründeten Duos.
„I think we have separate and very different methods of working and I think that’s why it sounds the way it does. We have very different approaches to music“, bestätigt Morten Myklebust, der Texte und Gesang beisteuert. Sein Partner Nils Martin Larsen erinnert sich an die ersten Momente der Band, als die beiden Norweger merkten, dass da etwas Besonderes entsteht, ohne bereits eine klare Vorstellung vom eigenen Sound zu haben: „There was something we couldn’t really put our fingers on… it felt really interesting from the beginning and the result was really special. But when it came to work flow it took a bit longer to figure it out.“
Myklebust hat 2013 bereits als Solist ein Singer-Songwriter-Album veröffentlicht oder beispielsweise gemeinsam mit Susanne Sundfør musiziert, Larsen war lange als Produzent und Mixer tätig. „I’ve been a studio nerd since I was thirteen. I’m really used to sitting for twelve hours in studio making just one tiny detail of a song, whereas Morten comes for a more traditional background where the track is the track and the song is the most important thing all of the time“, umreißt er einen weiteren Kontrast innerhalb dieser Band.
Genau davon lebt dieses Album. Das Debüt von Apothek klingt analog, lebendig und warm trotz erkennbar digitaler Mittel. Die Platte schafft es, auch in ihren gewagten, ungewöhnlichen und verstörenden Momenten, von denen es zum Glück etliche gibt, stets schön zu bleiben. „Every track on the album has a completely different pattern of creation… there’s no formula we’ve followed for the record“, sagt Larsen, und diese Vielfalt bereichert Apothek, ohne dass deshalb die Identität dieses Albums verloren ginge.
Roaring steht am Beginn und beweist einen geradezu zärtlichen Umgang mit dem eigenen Material. Die Single Reunion ist ein Lied so verlockend wie ein Swimmingpool, der prall gefüllt ist mit deinen Lieblingssüßigkeiten – obwohl auch hier ein Konflikt besungen wird, wie Myklebust sagt: „It’s about trying to get where you have to go and reaching conclusions you are unable to reach.“ Invited ist poliert, aber persönlich – das gilt für fast alle der neun Tracks.
Einige Lieder haben eine Neigung, einen Tick zu lang zu sein, das wiegen Apothek aber durch ein hohes Maß an Originalität auf. Ein Beispiel dafür ist Inheritance: Der Song ist komplett aus den Bestandteilen der anderen Songs dieses Albums zusammengebaut. Auch die angenehme Stimme von Morten Myklebust, die sofort vertraut klingt (zumindest für die 90 Prozent der Menschheit, die schon einmal etwas von Thom Yorke oder Chris Martin gehört haben), trägt zum Charme dieses Duos bei.
Die vielleicht größte Stärke von Apothek ist es, den Song ernst zu nehmen, wie das in der Folk-Welt üblich ist, zugleich aber nicht die Aussage über die Form zu stellen, sondern Inhalt immer auch als Material zu sehen, mit dem sich klanglich arbeiten lässt, wie man das aus der Pop- und Rap-Welt kennt. „When you listen to pop songs, the most important thing about the hook is how it phonetically works with the rest of the song. I’m not saying it’s not important what you say, but how you say it has to match the track. That’s what we took a lot of time with. A lyric may be beautiful and well written but if it doesn’t sit well on the track, it doesn’t work“, hat Nils Martin Larsen treffend festgestellt. Mit Morten Myklebust steht ihm ein Texter zur Seite, der sich nur zu gerne dieser Strategie anschließt: „I didn’t really want the lyrics to have a place unless it was within the context of the music. Lyrics in a booklet often end up like bad poetry. You try to make it look good on the page, but you don’t really need that when you’re listening to it… when the music stops, the lyrics stop.“
Departure ist das Lied, das die Wirkung dieser Methode am besten illustriert: Musikalisch ist der Track äußerst ereignisreich, das Beste daran bleibt trotzdem die Melodie, die Myklebust für die scheinbar so banalen Worte „Now ist’s departure, you know“ findet. Genau dieser Moment bringt wunderbar das Apothek-Prinzip zum Ausdruck: „It’s not a singer with a production underneath, or a production with a singer on top. It sounds like two people playing it, and that’s important. It has to feel organic.“