Arctic Monkeys – „AM“

Künstler Arctic Monkeys

Album Nummer vier zeigt die Arctic Monkeys im Aufwärtstrend.
Album Nummer vier zeigt die Arctic Monkeys im Aufwärtstrend.
Album AM
Label Domino
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Wenn man AM zum ersten Mal hört, ist man noch immer beleidigt. Es ist derselbe Effekt wie bei Humbug und bei Suck It And See: Das sind nicht mehr die Arctic Monkeys, in die man sich einst Hals über Kopf verliebt hatte. Das ist, schon wieder, ein Album ohne offensichtliche Hits und ohne sofort zündende Kracher.

Doch vielleicht ist dieser Vorwurf ungerecht. Man bekommt hier nicht den Arctic-Monkeys-Sound, nach dem man lechzt, doch das muss noch lange nicht bedeuten, dass dieser Sound enttäuschend ist. Vergisst man einmal das berauschende Gefühl, das Whatever People Say… und Favourite Worst Nightmare hervorgerufen haben, dann muss man attestieren: Das fünfte Album der Arctic Monkeys ist eine sehr gute Rockplatte.

Die Band selbst empfindet das Werk jedenfalls als eine Art Wiedergeburt. AM sei „das Album, war wir immer machen wollten“, war von Schlagzeuger Matt Helders zu hören. Und Frontmann Alex Turner betont den gewachsenen Zusammenhalt in der Band, der deutlich hörbar ist, und der mit R U Mine seinen Anfang nahm. „Als wir fertig waren und die beiden (Matt Helders und Bassist Nick O’Malley) die Backing Vocals zusammen eingesungen haben, fanden wir das alle so großartig, dass wir ein Album machen wollten, das sich genau darum drapiert“, erinnert er sich. „Nachdem sich R U Mine wie von selbst als Wegweiser für eine neue Richtung definierte, wussten wir, das wir auf dem richtigen Weg sind.“

Das Lied ist in der Tat ein Highlight: R U Mine hat all die Power und Unerbittlichkeit, die das zweite Album der Arctic Monkeys ausgezeichnet hatten, dazu eine famose Verspieltheit, einen üppigen Riff-Reichtum und nicht zuletzt den von Turner gepriesenen Chor. Die anderen drei Bandmitglieder dürfen auf AM erstaunlich oft mitsingen, und auch sonst betont das Quartett seinen Zusammenhalt. Der Beat ganz am Anfang von AM, im Opener Do I Wanna Know? beispielsweise besteht aus dem Knieklatschen und Fußstampfen aller vier Mitglieder, dazu kommen auch hier ein Chor, ein packendes Riff mit großer Lässigkeit und eine tolle Melodie.

Das Erfreulichste an AM ist, dass die Zeiten der Kraftmeierei bei den Arctic Monkeys offensichtlich vorbei sind. Josh Homme hat zwar noch zwei Gastauftritte als Background-Sänger, aber die Produktion lag wieder in den Händen von James Ford. Gleich drei Songtitel enden gar mit einem Fragezeichen, und es ist nicht allzu weit hergeholt, ein Gefühl von Unsicherheit da hineinzuinterpretieren. Noch ein Indiz: Alex Turner nimmt sich beim Gesang etwas zurück, intoniert nicht mehr so zackig, sondern manchmal aufreizend lässig. Es gibt von ihm weniger formidable Zweizeiler, dafür sind jetzt Lautmalerei und Zeilensprünge beliebte Stilmittel. Mad Sounds ist ein Beispiel dafür, dass cool ist wie The Velvet Underground und zudem eine clevere Anspielung auf You Can’t Always Get What You Want enthält. Auch Arabella mit seiner amüsanten Led-Zeppelin-Gitarre passt dazu. Und Why’d You Only Call Me When You’re High?, in dem die Arctic Monkeys so spannend, modern und verführerisch klingen wie schon ewig nicht mehr.

Es gibt noch immer ein paar Schwachpunkte wie I Want It All, das zu sehr in seinen eigenen Sound verliebt ist, oder das eher schwache Fireside. Dem stehen auf AM aber genug Höhepunkte gegenüber. No. 1 Party Anthem ist ein herrlich zynischer Titel, wenn man bedenkt, dass es sich dabei am eine Ballade mit Pedal Steel Guitar handelt, die schnurstracks in eine Nachmittagslounge führt, und zwar in eine von den edelsten. Die Vertonung von John Cooper-Clarkes I Wanna Be Yours, die den Abschluss des Albums bildet, fasst den Wahnsinn und Reiz des Gedichts schön zusammen, mit der unnachahmlichen ersten Zeile „I wanna be your vacuum cleaner“ und einem einschmeichelnden, betörenden Refrain.

Auch Knee Socks ist besser als alles, was es auf den letzten beiden Alben dieser Band zu hören gab. Der Track könnte von Michael Jackson sein oder von Falco, von den Rolling Stones oder den Red Hot Chili Peppers – und er zeigt damit, welch eindrucksvolle Entwicklung die Arctic Monkeys unlängst genommen haben, vielleicht, ohne dass man das bemerkt oder gar goutiert hat. Es gibt etliche solcher Momente auf AM, in denen man fast Humbug und Suck It And See noch einmal herauskramen möchte, um zu schauen, ob sich da nicht doch bereits Spurenelemente dieser Größe finden. Mit Snap Out Of It gibt es dann, Heureka!, tatsächlich auch einen Hit, der nichts anderes sein will als ein Hit, mit tollem Groove, viel Punch, Witz und Intelligenz.

Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel für den Aufwärtstrend ist One For The Road. Das Lied klingt einfach in dem Sinne, dass es nicht allzu viele Zutaten hat. Aber es sind genau die richtigen, erlesenen Zutaten. Sie zeigen eine Band, die sich die eigene Neugier gönnt, die um ihre Stärken weiß, sich aber auch das Recht herausnimmt, auf diese Stärken eben auch mal zu verzichten. AM liefert, auch wenn der Titel das andeutet, wieder nicht den grandiosen, prototypischen Arctic-Monkeys-Sound der ersten Stunde. Aber eine klasse Rockband mit vielen Facetten.

Mein Favorit: Snap Out Of It, live bei Jools Holland.

httpv://www.youtube.com/watch?v=Uhe4_oR7M1A

Homepage der Arctic Monkeys.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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