Ariel Pink – „Dedicated To Bobby Jameson“

Künstler Ariel Pink

Dedicated To Bobby Jameson Ariel Pink Kritik Rezension
Einem 2015 verstorbenen Musikerkollegen ist „Dedicated To Bobby Jameson“ gewidmet.
Album Dedicated To Bobby Jameson
Label Mexican Summer
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

„Ausgerechnet jetzt, am Ende dessen, was man das Hype-Jahrzehnt Ariel Pinks nennen könnte, gelingt Rosenberg sein bisher reifstes und überzeugendstes Album. Weil es um etwas geht. Sinn und Nachhaltigkeit“, hat Spiegel Online über das gerade erschienene elfte Album des Manns aus Beverly Hills geschrieben. Dieses „Etwas“, um das es auf Dedicated To Bobby Jameson geht, ist jener im Titel der Platte erwähnte Musiker aus Los Angeles, der nach einigen frühen Halb-Erfolgen in den späten Sechzigern jahrzehntelang für tot gehalten wurde, bis er 2007 in einem Blog und einigen YouTube-Videos wieder auftauchte und schließlich ein Buch schrieb, um dort zu berichten, wie übel ihm das Musikgeschäft mitgespielt hat. Er starb 2015.

„Sein Buch und seine Lebensgeschichte haben mich tief beeindruckt, deshalb hatte ich einfach das Gefühl, ich müsste ihm mein neues Album widmen“, sagt Ariel Pink. Sein neues Werk sieht er als so etwas wie ein Konzeptalbum an, doch gerade dieser Ansatz zeigt (im Gegensatz zum eingangs erwähnten Kritikerstatement) das Problem an seiner Kunst: Es kann in ihr nie etwas Wichtigeres geben als Ariel Pink. Es kann jenseits des Mannes, der als Ariel Marcus Rosenberg geboren wurde, sogar kein anderes Thema geben.

Dedicated To Bobby Jameson klingt wie ein Sampler mit lauter Liedern von halbtalentierten Egozentrikern. Die Synthie-Orgie Time To Meet Your God eröffnet das Album. Es folgen ein The Smiths-Gedächtnis-Sound (Feels Like Heaven), dann Funk-Elemente (Death Patrol), dann ein Stück, in dem Ariel Pink in den Geist von Falco geschlüpft zu sein scheint (Santa’s In The Closet). Später gibt es Songs, die erklären, wie er einst zu seinem Ehrentitel „König des Chillwave“ gekommen ist (Kitchen Witch), die als akustische Gehässigkeiten vielleicht John Lennon gefallen hätten (Do Yourself A Favor) oder die klingen, als habe der Merseybeat im Jahr 1963 erstmals Nachahmer in der Slowakei gefunden (Dreamdate Narcissist). Das ist zumindest in einigen Fällen interessant, macht aber zugleich deutlich: Auch auf Dedicated To Bobby Jameson geht es Ariel Pink zuerst immer um Ironie.

Selbst zu bestimmen, was Popmusik für ihn und andere sein darf, bezeichnet er als „seine Mission“, und in der Tat hat er es in seiner bisherigen Laufbahn geschafft, eine sehr eigene Persona als Künstler zu definieren. Er bietet in seinen Songs keinen Schönklang, kein Storytelling und auch keine Identifikationsflächen nach dem Muster „Ich bin genauso einsam/verliebt/wütend wie du“. Die Kommunikation mit dem Publikum kann hier nur auf eine einzige Weise funktionieren: Der Hörer soll staunen, was Ariel Pink sich nun schon wieder für krasse Sachen ausgedacht hat. Er darf nichts ewarten außer maximale Individualität.

Dieses Konzept ist nicht ohne Reiz, es krankt aber an mindestens zwei Stellen: Erstens wäre es die größere Kunst, Erwartungen zu bedienen und zugleich zu brechen, sich nicht aller Genres zu entledigen, sondern innerhalb eines Genres innovativ zu sein. Zweitens kann die Idee, einzig Exzentrik als verbindendes Element des eigenen Oeuvres zu betrachten, schnell zu Beliebigkeit führen.

Wenn das schief geht, kommt etwas heraus wie die Muzak des Album-Schlusspunkts Acting (mit DaM-Funk) oder ein Song wie I Wanna Be Young, der klingt, als hätte jemand Kenny Loggins mit Spandau Ballet gepaart und dann zu heiß gewaschen. Wenn die Formel hingegen funktioniert, hat Dedicated To Bobby Jameson auch seine Momente. Der Titelsong bietet noch etwas mehr Seventies-Feeling als der Rest der Platte, ist schwungvoll und im Refrain sogar eingängig – so hätte die Steve Miller Band mit noch etwas mehr Lust auf Psychedelik klingen können. Another Weekend ist ein gutes Beispiel für die verschandelte Schönheit, die man bei Ariel Pink so häufig findet, auch Bubblegum Dreams passt in diese Reihe, das zwischen Beach Boys, Powerpop und den Ramones einen beträchtlichen Spaßfaktor entwickelt, sich aber ebenfalls selbst in den Dreck zieht.

Time To Live erweist sich als die akustische Entsprechung eines ausgestreckten Mittelfingers für den Hörer: Der monotone Rhythmus gaukelt so etwas wie eine Struktur vor, dazu gibt es viel Noise aus undefinierbaren Quellen und gegen Ende womöglich eine Referenz an The Buggles. Natürlich ist das weit weg von 08/15. Dennoch drängt sich auch bei Dedicated To Bobby Jameson die Frage auf: Wer soll (wenn kein Publikum anwesend ist, dass man mit seinem gewagten Geschmack beeindrucken möchte) ernsthaft Lust entwickeln, in einer Mußestunde genau diese Platte aufzulegen? Dass es jenseits von Kritikern jemanden gibt, der die Musik von Ariel Pink tatsächlich liebt, ist kaum zu glauben.

Abgefahren! Das soll man wohl auch beim Video zu Feels Like Heaven denken.

Website von Ariel Pink.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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