Künstler | Barbarossa | |
Album | Imager | |
Label | Memphis Industries | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Es muss der rote Bart sein. Anders lässt sich der Künstlername nicht erklären, den James Mathé, langjähriger Wegbegleiter von José González und dessen Band Junip, für sein Solowerk gewählt hat. Jedenfalls sind von dem Londoner keine Kreuzzüge, keine Konflikte mit dem Papsttum und auch keine Kriege gegen Polen überliefert.
Anders als Friedrich I. Barbarossa (er wurde mit 30 zum König gekrönt; sein Vorgänger schaffte das erst mit 45, sein Vorvorgänger war sogar schon 50, als er dieses Amt bekam), kann Mathé auch nicht gerade als Frühstarter gelten. Erst 2013 fand er mit dem Album Bloodlines seinen Sound (die Platte wird neuerdings als sein Solodebüt bezeichnet, dabei hatte er schon 2008 einen Folk-lastigen Longplayer namens Chemical Campfires veröffentlicht): elektronische Musik, die sehr organisch klingt, sich eher an klassischem Songwriting orientiert als an Sampling und voller Wärme steckt.
„Mit seinem Elektro-Soul findet James Mathé den wunden Punkt, an dem sich Wehmut in Schönheit verwandelt“, hat der Musikexpress damals bei Bloodlines festgestellt, und diese Einschätzung trifft auch auf den Nachfolger Imager zu, der heute in England und am Freitag bei uns erscheint.
Muted ist ein gutes Beispiel für die Wirkung seiner Musik: „We suffer in silence“, singt Barbarossa (“That can be interpreted as either a generation disappearing or a relationship breaking down and disappearing”, erklärt er diese Zeilen), aber das Schweigen ist zum Glück nur angedeutet, und das Leiden klang selten so schön wie hier. Auch Silent Island ist beinahe prototypisch für die zauberhafte Atmosphäre, die dieses Album prägt. „It kind of turned out a bit like that All Saints’ track from The Beach soundtrack. Katy Young from Peggy Sue sings on the chorus, she is my favourite female vocalist around, so it was incredible when she agreed to sing on this track”, schwärmt Barbarossa in einem Track by Track für Clashmusic.
Human Feel wirkt wie Hot Chip im Entspannungsmodus, Nevada könnte man sich gut von Austra vorstellen. In The Wall, dem Schlusspunkt von Imager, kann die Falsett-Stimme von James Mathé am hellsten glänzen und die eine oder andere Erinnerung an James Blake wecken.
Das großartige Solid Soul wird ebenfalls ganz soft, aber nicht belang- oder harmlos. Einen wunderbar dezenten Punch und einen herrlich subtilen Drive hat Settle, eines von mehreren Liedern, in denen Barbarossa (aufgewachsen inmitten von Londoner Künstlerkommunen) die Gentrifizierung der kreativen Viertel seiner Heimatstadt thematisiert. Das gilt auch für Home, in dem José González als Gast-Sänger auftritt: Antiquierte Drum-Computer treffen hier auf ein altertümliches Mellotron und ein sehr aktuelles Gefühl von Wehmut.
Auch in Dark Hopes, das an The XX denken lässt, gehen reichlich Effekte und Computersounds eine wunderbare Symbiose mit echtem Schlagzeug und dem wohligen Klang eines Fender Rhodes ein. Und das Bild, das Imager gleich zu Beginn des Albums entstehen lässt, ist bei derart ätherischem Gesang und derart spannender Musik in jedem Fall genauso geheimnisvoll wie diese Platte: neblig, vielschichtig, facettenreich und schön.