Beatsteaks – „Yours“

Künstler Beatsteaks

Beatsteaks Yours Kritik Rezension
Ein jahr Lang haben die Beatsteaks an „Yours“ gearbeitet.
Album Yours
Label Warner
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

Auch 20 Jahre nach ihrem Debütalbum sieht es nicht so aus, als würden den Beatsteaks die Ideen ausgehen. Im Gegenteil: Gleich 21 Songs haben sie auf Yours gepackt und so viele verschiedene Einflüsse wie nie zuvor zusammengetragen. Kann das gutgehen? Es kann, wenn man eine clevere Klammer für all diese Sounds findet.

Dieser Effekt war schon während der ersten Phase der Arbeiten im Studio deutlich zu erkennen, sagt Sänger Arnim Teutoburg-Weiss. „Alles hat sich vielseitiger und experimenteller angefühlt“, lautete sein Eindruck, als sich die fünf Beatsteaks gegenseitig ihre neuen Demos vorspielten. Dass die Band auch auf mehrere Produzenten (unter anderem Peter Fox) gesetzt hat und er selbst auf Yours gleich in drei verschiedenen Sprachen (Englisch, Deutsch und Französisch) singt, dürfte die Herausforderung nicht geringer gemacht haben.

Die Lösung lautet schließlich: Mixtape. „Wenn man früher Mixtapes aufgenommen hat, klang ja auch nicht jeder Song gleich“, sagt der Sänger. „Manche waren leiser, andere lauter, man hat Lieder aus unterschiedlichen Genres vereint. So wollten wir es auch mit diesem Album machen.“ Hat das funktioniert? Die Antwort ist wenig verwunderlich: Das achte Studioalbum der Beatsteaks klingt nicht wie aus einem Guss, und es wäre eine deutlich bessere Platte geworden, wenn man die fünf, sechs schwächsten Songs gekippt hätte. Trotzdem zeigt Yours eine Band, bei der man sich um Vitalität und Kreativität keinerlei Sorgen machen muss.

Der Auftakt Break Down bietet ein plakatives und gutes Riff, zum Volldampf-Charakter des Songs trägt das Monster-Schlagzeug aber mindestens ebenso viel bei wie die Gitarre. You In Your Memories (mit Chad Price) hat ein ähnliches Energie-Level: Die Komposition ist solide, die Power ist mehr als das. The Job beschließt das Album mit viel Klasse, Feuer und Ideen. Auch No Suprises kann man in der typischen Beatsteaks-Kategorie “bürgerlicher Spaß-Pop-Punk für Leute, die Montag gern auf Arbeit gehen“ (Musikexpress) verorten. Es ist nicht so, dass man Ähnliches nicht schon einmal von ihnen gehört hätte, trotzdem klingt es keine Sekunde lang schlimm, wenn eine Band sich noch ein bisschen mehr in ihrer Paradedisziplin austobt.

Nicht unbedingt besser, aber spannender sind natürlich die Songs, in denen die erwähnten Nicht-Standard-Einflüsse erkennbar werden. Die Single I Do hat einen guten Groove in der Nähe von Dancehall, dazu wird wohl so etwas wie ein Eheversprechen gegeben. In den Titelsong Yours bringt eine hypnotische Orgel eine interessante neue Klangfarbe hinein, Sucker Punch ist erstaunlich wilder Punk, in Gap erzeugen die Beatsteaks gar eine Härte und Ästhetik, die nicht weit von Metal entfernt ist.

Für L auf der Stirn haben sie sich mit Deichkind zusammengetan. „Wir kennen und bewundern uns gegenseitig, also haben wir endlich mal einen Song zusammen gemacht“, sagt Arnim Teutoburg-Weiß. Der Track („Ich bin ein Loser, doch du weißt es nicht“, heißt die Erklärung für alle, die das L nicht einordnen können) ist recht witzig, vom Sound her aber deutlich näher an der Gefälligkeit von Cro als im üblichen Deichkind-Krawall zu verorten. Ein Klavier gibt in Policoro den Ton an, der Text fragt dazu, woher eigentlich all die Zwänge kommen, von denen wir unser Leben dominieren lassen.

Attack And Decay hat so viel Drive, dass das Lied auch den Vocoder-Effekt verträgt. Eine gute Dynamik ist auch der Schlüssel in 40 Degrees: „I don’t have the answer, but I have a plan“, heißt die zentrale Zeile – und diese Scheißegal-läuftschonirgendwie-Haltung wird hier in eine leicht dekadente Sommersonnenfeier umgemünzt. Come On And Get Some wartet mit etwas R&B und karibischen Einflüssen auf, was ebenso originell wie gelungen ist. Filthy Crime setzt auf einen Reggae-Beat, der den Beatsteaks sehr gut steht und für eine schöne Atmosphäre sorgt, allerdings passen Strophe und Refrain nicht gut zueinander.

Auch in anderen Momenten führt der Überfluss dazu, dass Songs unausgegoren oder unterdurchschnittlich sind. Summertime verströmt eine Leichtigkeit, die auch einen Hauch von Belanglosigkeit mit sich bringt. Das Subtile und Entspannte, das die Beatsteaks wohl in Abbadu (mit Farin Urlaub) demonstrieren wollen, endet darin, dass der Song (bis auf den Schluss) vor allem von Ereignislosigkeit geprägt ist. Das gedrosselte Tempo in Fever sorgt dafür, dass etwas herauskommt wie ein sehr mediokrer Oasis-Song.

Hate To Love (mit Jamie T) zeigt in Sound und Ambition, dass die Berliner sich als Nachfahren beispielsweise von The Clash sehen, könnte aber etwas mehr Biss vertragen. Schräg und niedlich wird Velosolex (mit Stereo Total) – nicht gerade Kategorien, mit denen man die Beatsteaks bisher assoziiert hatte, und offensichtlich auch keine, in denen sie große Meister sind, denn der Song ist allenfalls durchschnittlich.

Dass zu den schwächeren Songs von Yours ausgerechnet jene zählen, bei denen die Beatsteaks sich von Gästen unterstützen oder inspirieren lassen, ist indes nicht das schlechteste Zeichen für den Gesundheitszustand der Band. Natürlich hört man auch Yours an, dass die Kernkompetenz der Band noch immer darin liegt, die deutschen Festivalbühnen mit 60 Minuten krachigem Gitarrenglück zu bespielen. Auch die weiterhin mittelprächtigen Texte darf man mittlerweile wohl als Markenzeichen der Berliner betrachten. Und nach wie vor gibt es in einer Welt, in der The Hives existieren, eigentlich keine Daseinsberechtigung für Bands, die ein sehr ähnliches Metier mit deutlich weniger Klasse, Intelliganz, Extravaganz und Wahnsinn bedienen. Ihre ganz persönliche Rockmusiksache betreiben die Beatsteaks aber auch auf ihrem achten Album erfreulich unverkrampft, mit hörbarer Überzeugung und zumindest gelegentlich überraschendem Horizont.

Im Video sieht es ziemlich spaßig aus, ein L auf der Stirn zu haben.

Im Herbst gibt es die Yours-Tournee der Beatsteaks.

17.10. – Moya (Rostock)
18.10. – Grosse Freiheit 36 (Hamburg)
20.10. – LKA Longhorn (Stuttgart)
21.10. – Substage (Karlsruhe)
22.10. – Muffathalle (München)
27.10. – Stadtgarten (Erfurt)
29.10. – Garage (Saarbrücken)
30.10. – E-Werk (Erlangen)
01.11. – Capitol (Hannover)
02.11. – E-Werk (Köln)
04,11. – Schlachthof (Wiesbaden)
09.11. – Coesfeld Fabrik Coesfeld

Website der Beatsteaks.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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