Künstler | Beginner | |
Album | Advanced Chemistry | |
Label | Universal | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Manchmal reicht ein Satz. „Der Testsieger rappt wieder“, verkündet Eizi Eiz in Ahnma, und besser hätte man das Comeback der Beginner nicht auf den Punkt bringen können. Wie spektakulär und heiß ersehnt diese Rückkehr ist, beweisen die Zahlen: Die Single wurde der erste Top-10-Hit für DJ Mad, Denyo und Eizi Eiz. Das Album stieg auf Platz 1 in die Charts ein. Das Video zu Ahnma hat fast 18 Millionen Aufrufe bei YouTube – das sind so viele, wie Chile Einwohner hat.
Natürlich haben sie sich das genau so vorgestellt, natürlich feiern sie sich auf Advanced Chemistry, ihrem vierten Album, für die eigenen Verdienste. Schließlich war der Vorgänger Blast Action Heroes vor 13 Jahren das erste Deutschrap-Album, das es an die Spitze der Charts schaffte. Schließlich war Gzuz, der jüngste der Gaststars auf Advanced Chemistry, noch nicht einmal im Grundschulalter, als die Beginner ihre erste EP veröffentlichten. Schließlich zählten sie selbst innerhalb der mittlerweile fleißig florierenden Hamburger HipHop-Szene zu den Pionieren.
„Alter, ich kam schon mit K2 und Hammerhart / Als ihr noch irgendwo im Sack von eurem Vater wart“, heißt die Ansage an die Nachgeborenen, ganz zu Beginn zieht Ahnma aber auch den Hut vor der ganz alten Schule: Die ersten Worte kommen von Torch, einst Frontmann von Advanced Chemistry. Danach markieren die Beginner das Revier (machen Füchse so etwas?), und zwar so cool, dass einem der Mund offen bleibt. Sie schaffen es, in gut vier Minuten ihren Status, ihr Können und ihre Einmaligkeit wieder in Erinnerung zu bringen. Mehr noch: Sie zeigen auch ihre Angriffslust. Sie lassen jeden wissen, dass sie nicht nur ziemlich weit am Anfang des Zeitstrahls stehen, der die Geschichte des Deutschrap repräsentiert, sondern auch nach wie vor wie eine Spinne im Szenenetz sitzen, was Gäste wie Gentleman, Samy Deluxe oder Dendemann sowie (aus der jüngeren Fraktion) Megaloh, Haftbefehl und Gzuz beweisen.
Dass Advanced Chemistry ein Album mit viel Geschichtsbewusstsein, aber ohne Nostalgie ist, unterstreicht dann gleich der nächste Track. Es war einmal ist smooth und stolz, eine Chronologie der Band, mit der sie nicht nur der Welt ihre Erfolge ins Gedächtnis rufen, sondern sich auch selbst vergewissern: Wer sind wir? Was macht uns aus? Was können wir noch beitragen?
Die Antwort heißt: Rap & fette Bässe. Vordergründig ist dieser Track pures Angeben mit der eigenen Großartigkeit, aber er zeigt eben auch, was man dazu braucht, und was die Beginner im Übermaß bieten: Wortschatz, Horizont und Interesse an der Welt weit über das eigene Ego, die eigene Clique und die eigene Hood hinaus. Ferris und Afrob dürfen darauf reimemonstern, dazu wird gleich auch noch Sympathy For The Devil zitiert. Auch Meine Posse zeigt, dass die Beginner in Sachen Talent, Qualität, Wortwitz und Monsterbeats niemanden fürchten müssen, auch nicht im Alter jenseits der 40. Mit Thomas Anders lassen sie eine Hymne auf Individualität und Unangepasstheit vom Stapel, zum Schluss gibt es mit Nach Hause ein Liebeslied an die Hamburger Heimat aus Sicht des Globetrotters.
„Advanced Chemistry ist der Beweis, dass Rap reifen und trotzdem knallen kann“, heißt es treffend im Beipackzettel der Plattenfirma. Allerdings muss man auch attestieren: Das vierte Album der Beginner hat ein beträchtliches Qualitätsgefälle. Das liegt zum einen daran, dass die besten Lieder (vor allem die ersten beiden) so unfassbar gut sind, zum anderen aber auch an ihrer Neigung, in den Autopilot-Modus zu verfallen. Dann kann man sich schon mal fragen, ob man sich nach vier Jan-Delay-Alben wirklich so sehr nach dem Näseln von Eizi Eiz gesehnt hat, dann wirken die Rhymes von Denyo unbeholfen und dann erscheint auch die Ansage „Wir sind noch immer die Kings in diesem Ding“ ein bisschen penetrant.
Macha Macha ist so ein Moment. „Mittelmaß ist ein No-Go“, propagiert der Text zwar, doch der Song bietet genau dieses Durchschnitts-Niveau und zeigt: Die dicke Hose steht den Beginnern mittlerweile deutlich weniger gut als der elegante (oder gerne auch knallbunte) Dreiteiler des Grandseigneurs. Auch Schelle schwächelt mit seinem Reggaebeat und dem Anspruch, alles abzuwatschen, was schlecht und fake ist. In Spam, einer Absage an die digitale Welt, setzen sich die Beginner gar der Gefahr aus, gestrig zu wirken – auch wenn sie nicht die Technologie verteufeln, sondern die Tatsache, dass wir sie einsetzen, um uns in Oberflächlichkeit, Egoismus, Flüchtigkeit und Bequemlichkeit zu ergehen.
Natürlich geht es auch besser. So schön ist eine funky Liebeserklärung, nicht an eine einmalige Angebetete, sondern an die Frau an sich, an alle Ladies des Planeten. Rambo No 5 feiert Ausgehen und Party als Therapie gegen Alltag und Angepasstheit, Leistungsdiktat und Selbstoptimierung. Nicht nur dieses Thema, sondern auch der wahnsinnige Sound hätten dabei gut zu Deichkind gepasst. Kater besingt den schlimmsten Hangover der Welt, mit viel Ehrlichkeit, etwas Selbstmitleid und einem zauberhaften Streicher- und Bläserarrangement.
Advanced Chemistry zeigt: Die Beginner haben es nie für Erfolg und Geld gemacht (das wäre zum Zeitpunkt, als sie loslegten, auch unrealistisch gewesen), sie wollten mit dieser Rap-Sache nie ihre Profilneurosen überwinden (dafür hätte damals auch die mediale Aufmerksamkeit gefehlt) und sie waren natürlich auch nie Trittbrettfahrer. Sie haben ihr Ding einfach aus Liebe zur Musik gemacht, und die steht zum Glück auch hier im Zentrum.
Hammerhart: das großartige Video zu Es war einmal.
Es gibt von der Fuchsbande auch aktuelle Tourdaten:
08.11.16 Hannover – Swiss Life Hall – verlegt aus Capitol (ausverkauft)
09.11.16 Münster – Skaters Palace (ausverkauft)
10.11.16 Mannheim – Mainmarkthalle – verlegt aus Heidelberg
11.11.16 Bielefeld – Seidensticker Halle (ausverkauft)
12.11.16 Bremen – Pier2 (ausverkauft)
14.11.16 Offenbach – Stadthalle – verlegt aus Capitol (ausverkauft)
15.11.16 Fürth – Stadthalle – verlegt aus Erlangen (ausverkauft)
17.11.16 Wien – Gasometer
18.11.16 A-Linz – Posthof
19.11.16 Wiesbaden – Schlachthof (ausverkauft)
21.11.16 Würzburg – Posthalle (ausverkauft)
22.11.16 Augsburg – Schwabenhalle – verlegt aus Kongresshalle
23.11.16 Stuttgart – Hanns-Martin-Schleyer-Halle
25.11.16 München – Zenith – verlegt aus Tonhalle (ausverkauft)
26.11.16 Ulm – Donauhalle – verlegt aus Roxy (ausverkauft)
27.11.16 Freiburg – Zäpfle Club Rothaus Arena – verlegt aus Jazzhaus
28.11.16 Oberhausen – König Pilsner Arena – verlegt aus Turbinenhalle
02.12.16 Mönchengladbach – ARAG Big Air Freestyle Festival @ Sparkassenpark
03.12.16 Hamburg – Alsterdorfer Sporthalle (ausverkauft)
05.12.16 Hamburg – Alsterdorfer Sporthalle (ausverkauft)