Künstler | Bernard + Edith | |
Album | Jem | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Schaut man sich die Promo-Fotos zu diesem im vergangenen Jahr erschienenen Debüalbum an, könnte man meinen, im Bandnamen habe sich ein Tippfehler eingeschlichen. Statt „Bernard + Edith“ scheint nämlich „Bernard | Edith“ viel passender zu sein.
Denn nach Gemeinsamkeit sieht auf diesen Schnappschüssen wenig aus: Sie sind am Strand, in Badebekleidung, Greta ‚Edith‘ Carroll schaut in den Himmel, Nick ‚Bernard‘ Delap hat den Blick hingegen auf den Sand unter sich gerichtet. Auf einem anderen Bild sitzt er auf einem Motorrad und schaut zur Seite, während sie den Fotografen anzuschmachten scheint. Noch ein anderes Foto zeigt sie singend mit geschlossenen Augen im Vordergrund, während er hinten an seinem Smartphone spielt, als ging ihn das alles nichts an.
Doch dieser Eindruck täuscht. Bernard + Edith, benannt nach ihren jeweiligen Mittelnamen, sind ein geradezu mustergültiges Zweiergespann. Sie machen alles gemeinsam: Musik, Texte, Videos, auch die Konzepte für ihre Liveshows. Und nicht zuletzt teilt das Duo aus Manchester natürlich ein paar Vorlieben. “Nick was more into indie and electronica and I was a huge jazz fan”, erzählt Greta Carroll über die Anfangstage der Band. “But then together we veered toward more experimental composition, like Meredith Monk and Philip Glass. And Twin Peaks was major for us, not just the soundtrack but the imagery and the weirdness.”
Bei solchen Eckpunkten verwundert es nicht, wie eigenartig Jem klingt. Die beiden schon 2014 erschienenen Singles von Bernard + Edith sind noch einmal enthalten: Bei Wurds klingt die Stimme nach Portishead, die Musik wie eine Verschwörung, in der sich kein Instrument so richtig aus der Deckung wagt und doch alle fein abgestimmt einer geheimen Sache dienen. Poppy hingegen ist überraschenderweise nicht so weit weg von dem, was Lisa Stansfield oder Soul II Soul vor 25 Jahren gemacht haben.
Dazu gibt es Texte, die die Inhalte der Songs eher verschleiern als aufklären, manchmal bleiben Bernard + Edith gleich komplett instrumental wie in China. Der Gesang wird im Titelsong fast wie ein Instrument eingesetzt, die Percussions hingegen dienen nicht so sehr dem Rhythmus, sondern stärken die Melodie. Heartache beginnt acappella und schwenkt dann in einen raumgreifenden Sound ein, der beispielsweise auch zu Austra passen würde.
Auch Fever Ray, die Cocteau Twins, Kate Bush und Japan benennt das Duo als wichtige Einflüsse, am deutlichsten ist aber tatsächlich die Orientierung an Twin Peaks. Wie gespenstisch Jem sein kann, zeigen beispielsweise Rosemary mit seinem verhinderten, verkaterten, verschleppten Swing oder Crocodile mit seinen ineinander verwoben Stimmen.
Underwater könnte ein um Tempo und Freude beraubtes Experiment der B-52s sein, Dagger bleibt bis zur Hälfte im Ungefähren, bis sich eine fast heitere Atmosphäre breit macht. Wäre Greta Carroll ein Mann oder würde sie einfach etwas lauter singen, könnte man einen Track wie I Will Be wahrscheinlich “Ethno-Industrial” nennen. Die Tidal Wave scheint sich mit letzter Kraft dahinzuschleppen in Richtung eines Ziels, das irgendwo in Asien liegen dürfte. Und beim Albumschlusspunkt Girls Night Out kann kein Zweifel bestehen: Bei diesem Mädelsabend haben sie sich eindeutig als Gespenster verkleidet.