Bleached – „Ride Your Heart“

Künstler Bleached

Bleached können auf ihrem Debüt charmant sein, aber auch gefährlich.
Bleached können auf ihrem Debüt charmant sein, aber auch gefährlich.
Album Ride Your Heart
Label Dead Oceans
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Verräterische Sätze sind das. Für ein pseudo-authentisches Image hätte man sie sich nicht schöner ausdenken können. „Me and Jen were punk kids who weren’t taught how to play instruments. We taught ourselves how to play, out in the garage”, beteuert Jessie Clavin beispielsweise. Man müsste das für einen Topos halten – wäre nicht so gut verbürgt, dass Bleached tatsächlich der quirligen Szene rund um den Independent-Schmelztiegel The Smell in Los Angeles entstammen.

„I was going crazy being in someone else’s band. Me and Jessie are so proud and happy to be able to focus on our own music together”, schwärmt Jennifer Clavin über den kreativen Austausch mit ihrer Mitstreiterin. Man könnte das für einen schlechten Versuch halten, vom Scheitern ihrer früheren Band Mika Miko abzulenken, in der beide ebenfalls aktiv waren, die sich aber 2009 (nach einem Abschiedskonzert in The Smell) auflöste – wäre die Intensität dieses Zusammenspiels nicht alleine deshalb unbestreitbar, weil Jessie und Jennifer Schwestern sind.

Man könnte auch meckern, dass Bleached erst drei Vorab-Singles brauchten, bis sie endlich mit einem Debütalbum rausrückten. Aber Ride Your Heart zerstreut mühelos alle Bedenken. Es vereint Hall-Effekte, Punk-Attitüde und Pop-Begeisterung, einen an die Pipettes erinnernden Charme mit einer Rabaukigkeit, wie sie im Rockabilly üblich ist (oder bei den Dum Dum Girls). Nicht zuletzt bietet das Album reichlich Texte wie aus dem geheimen Tagebuch einer 15-Jährigen – und wir alle wissen, dass aus dieser Quelle etliche Texte von Pop-Klassikern stammen.

Am Anfang stehen in Looking For A Fight ein paar Schrammelgitarren, unbeholfen und dennoch kreuzgefährlich. Das folgende Next Stop (eine der Singles) ist schon ein gutes Stück robuster und kraftvoller. Spätestens mit Outta My Mind, das zugleich groovy, kokett und wuchtig wird, ist dann eindeutig klar, dass Bleached verdammt genau wissen, was sie tun.

Love Spells ist ein klasse Song, das rasante Waiting By The Telephone hat einen berauschenden Drive. Dead Boy ist frech und catchy wie Kim Wilde in ihren besten Momenten. Wenn Buddy Holly in einer Motorradgang gewesen wäre (und eine Frau), hätte er vielleicht solche Lieder gemacht wie das wunderbare Dreaming Without You.

Inmitten eines klassischen Garagenrock-Sounds gönnen sich Bleached auch ein paar überraschende Elemente wie die Klaviertöne in Searching Through The Past, die Glöckchen in Ride Your Heart oder die Surf-Anleihen und tropischen Rhythmen in Guy Like You. Auch mit When I Was Yours beweist das Duo, dass es auch Komplexität zu bieten hat: Der Album-Schlusspunkt beginnt wie ein Song der Bangles, dann gibt es Sprechgesang, schließlich mächtig viel Spektakel und Beschleunigung.

Der Höhepunkt von Ride Your Heart ist allerdings Dead In Your Head. Das Lied ist im gleichen Maße dynamisch wie Joy Division und verwunschen wie Lush, dazu kommt ein famoser Refrain. Der Sound ist, wie immer auf diesem erstaunlichen Debüt, romantisch, aber nicht naiv. Bleached locken mit einer Kusshand, aber diese Hand trägt einen Nietenhandschuh.

Die Outfits sind wohl auch von den Bangles: Bleached spielen Dead In Your Head live in Vancouver.

Bleached bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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