Künstler | Bleached | |
Album | Welcome The Worms | |
Label | Dead Oceans | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Hollywood, We Did It All Wrong heißt das letzte Lied auf diesem Album. Man muss sich wundern: Für die Schwestern Jennifer Clavin (Gesang) und Jessie Clavin (Gitarre) und ihre Bassistin Micayla Grace, die tatsächlich aus Los Angeles kommen, war es nach dem Debütalbum Ride Your Heart (2013) eigentlich ganz gut gelaufen. Mojo lobte die Platte als „a master class in girl group jangle pop“, der NME feierte ebenso überschwänglich „an album as classic as its faultless Thelma & Louise-ian artwork“. Auch die Verkäufe waren ordentlich, und für den gerade erschienenen Nachfolger Welcome The Worms konnten Bleached nun sogar Joe Chiccarelli (Morrissey, The Strokes, Elton John) als Produzenten gewinnen.
Was also ist ihrer Ansicht nach schief gelaufen? Nun, das Leben. Jessie wurde gerade aus ihrer Wohnung rausgeschmissen, als sie mit der Arbeit am zweiten Album des Trios begann. Jen hatte zur selben Zeit das turbulente Ende einer Beziehung zu verdauen. „I was a loose canon. I was losing serious control of my personal and creative life. I was falling apart, trying to escape. I felt like Bleached was the only thing I actually cared about“, sagt sie.
Es ist eine Unbedingtheit, die man Welcome The Worms in jedem Moment anhört. Sie steckt auch in Hollywood, We Did It All Wrong, dem besagten Rausschmeißer. Das Lied ist ein Hit, so treffsicher, unbeschwert, schlicht und eindeutig wie es die Ramones waren. Auch an anderer Stelle sind die Helden von Bleached sehr deutlich zu erkennen. Im Opener Keep On Keepin‘ On lässt Kim Wilde in ihrer kraftvollsten, feurigsten Inkarnation grüßen – der Song ist großartig mitreißend, auch wenn man problemlos ein bisschen eingeschüchtert davon sein kann. I’m All Over The Place (Mystic Mama) findet die Mitte zwischen den Dandy Warhols und den B-52s und wäre fast ein bisschen gewöhnlich, wären da nicht Details wie die Orgel, das Tamburin oder die Bongos, die jeweils im genau richtigen Moment einsetzen. Sleepwalking zieht den Hut vor den Slits oder Black Flag und wird so auf sehr spektakuläre Weise sehr vertraut.
„We don’t want perfection because it’s boring. We want to make music that’s as real as life“, beteuert Jen Clavin. Sie hat deshalb auch kein Problem damit, dass die Texte von Welcome The Worms deutlich persönlicher geworden sind als auf dem Debüt. Die Arbeit an den Songs „sometimes made me hate myself and sometimes it made me love myself. But being aware of how I felt is what I wanted“, sagt sie. Wednesday Night Melody ist eines der Stücke, die das belegen: Die Riffs klingen nach Stadion, aber im Kern steckt Melancholie. Wasted On You will infantil wirken, kann aber seine Cleverness (und schmerzhaften Erinnerungen) nicht verbergen, die unter anderem in Zeilen wie „I can’t keep wasting my emotions on you“ stecken.
Bei all dieser Freude am Autobiografischen wissen Bleached unverkennbar auch: In dem Genre, das sie betreiben, ist Attitüde wichtiger als Texte. Attitüde ist wichtiger als alles. Und sie haben reichlich davon. Chemical Air wäre auch dann ein klasse Song, wenn er nicht so arschcool vorgetragen würde, aber das schadet natürlich auch nicht. Desolate Town wird eher heavy und bratzig als catchy und kokett. Und Trying To Lose Myself Again gibt sich herrlich primitiv in der Strophe, um dann im Refrain beinahe schockierend komplex und verspielt zu werden.
Sour Candy ist vielleicht das Lied, das die Stärken von Welcome The Worms auf den Punkt bringt, sein Geschichtsbewusstsein, sein Feuer, seine Lust auf Bekenntnisse. Das Lied hat zum Glück nicht nur ein paar Akkorde (und den Sound) von Teenage Kicks, sondern auch den Geist des Aufruhrs, der in diesem Vorbild steckt, und den Willen, die Musik als einzige gültige Welt zu akzeptieren. „They said rock’n’roll is good / for people like me“, singt Jen Clavin darin. Das stimmt unbedingt.