Künstler | Blood Red Shoes | |
Album | Blood Red Shoes | |
Label | Jazz Life | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Ganz ehrlich: Mein erster Gedanke, als dieses Album auf meinem Tisch landete, lautete: Nicht schon wieder. Ich mag die Blood Red Shoes. Sehr sogar. Sie haben noch nie ein schlechtes Album gemacht (nicht mal einen schlechten Song, um genau zu sein), sie geben tolle Interviews und haben mir schon reichlich tolle Live-Erlebnisse beschert. Aber über die Nachricht „Es gibt ein neues Album der Blood Red Shoes“ hätte ich mich eindeutig mehr gefreut, wenn sie ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr später eingetroffen wäre.
Das ist der Fluch des großen Outputs. Vier Alben in sechs Jahren haben nicht viele andere Bands ihrer Generation zustande gebracht. Steven Ansell und Laura-Mary Carter sind derart produktiv, dass sie sogar dann noch ins Studio gehen und eine EP aufnehmen, wenn sie eigentlich eine Pause nach einer langen Tour geplant hatten. Sie sind besessen. Und genau das ist die große Stärke ihres vierten Albums.
Der Titel Blood Red Shoes deutet auf einen Neubeginn hin, doch davon kann allenfalls beim Blick auf die Details die Rede sein. Erstmals hat die Band selbst produziert, entstanden ist der vierte Longplayer des Duos aus Brighton in Berlin. „For this album we packed up all our stuff, got in a van and drove to Berlin, where we lived for months in a rented studio space”, erklärt Steven Ansell. „No producer, no engineer, no A&R people, just us two in a big concrete room in Kreuzberg, jamming and recording our songs whenever we wanted, how we wanted with nobody to answer to except ourselves. It came out as our rawest, heaviest, sexiest and most confident sounding record so far”.
Man kann ihm zustimmen. Die Band klingt energisch und frisch wie eh und je. Songs wie Don’t Get Caught könnte man problemlos als Antwort verwenden, wenn jemand fragen sollte, was Rockmusik ist und was ihren Reiz ausmacht. Everything All At Once feiert mit großer Unbedingtheit und einer Spur Hysterie das Glück des Moments. Far Away, das soft beginnt und dann viel Fuzz-Feuer und den betörenden Gesang von Laura-Mary Carter bietet, ist ein weiteres Beispiel für einen Klasse-Rocksong, wie sie Blood Red Shoes scheinbar in unbegrenzten Mengen in petto haben.
Ein paar Neuerungen lassen sich auch jenseits der Produktionsbedingungen erkennen. Am Ende von The Perfect Mess gibt es ein kurzes Sample einer Berliner S-Bahn-Ansage, Cigarettes In The Dark startet mit einem Acappella-Teil, der Opener Welcome Home bleibt instrumental, Stranger arbeitet mit pentatonischen Tonleitern. Dazu kommt eine neue Heiterkeit, die in Speech Coma vielleicht am greifbarsten ist. „I can’t get no words out / it’s like someone cut out my tongue“, lautet der Refrain; Riff und Beat drumrum versprechen einen sehr großen Spaß, wenn das Lied demnächst live gespielt wird. “Our default setting as a band is to write from a negative perspective”, umschreibt Steven Ansell die Wandlung hin zu positiveren Klängen, “this time it’s about being hedonistic and free and not worrying so much.”
Behind A Wall klingt fast, als hätte Platon sein Höhlengleichnis in einen Rock-Kracher verwandelt: „Tell me who you are / I know you’re behind a wall“, singt Laura-Mary Carter. Sie begründet übrigens auch, warum Blood Red Shoes diesmal nicht mehr mit Produzent Mike Crossey zusammen gearbeitet haben. “Everything was so perfect on our third album, but we realised that the imperfections are what makes our band – that’s what people like about us.”
Das Ergebnis ist erneut beeindruckend, und das Highlight ist die Single An Animal. Auch darin stecken reichlich Kraft, Wucht und Tempo, aber das Lied ist auch sagenhaft catchy, es bietet Funk und Raffinesse und ähnelt so eher den Songs der Arctic Monkeys als denen von, sagen wir, den White Stripes. Das ist ein großes Vergnügen – das nächste Album kann kommen, lieber heute als morgen.
So gut klang An Animal schon im Proberaum in Kreuzberg:
httpv://www.youtube.com/watch?v=xC06uZSOWk0