Hingehört: Broken Bells – „After The Disco“

Spaß am Miteinandern wird zum wichtigsten Erfolgsfaktor von "After The Disco".
Spaß am Miteinandern wird zum wichtigsten Erfolgsfaktor von „After The Disco“.
Künstler Broken Bells
Album After The Disco
Label Sony
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Man könnte glauben, der Erfolg habe Broken Bells bewegt, nach dem ersten gemeinsamen Werk im Jahr 2010 noch einen draufzulegen. Schließlich hat das Debüt Platz 7 in den US-Charts erreicht, allein in den Staaten 400.000 Exemplare verkauft und James Mercer und Brian Burton auch noch eine Grammy-Nominierung eingebracht. Da kann man, auch als umtriebiger Musik-Tausendsassa, schon mal auf die Idee kommen, es nicht bei einem einzigen Album zu belassen.

Dieser Verdacht ist allerdings falsch. Erstens haben die beiden auch ohne Broken Bells genug Erfolg. James Mercer hat mit den letzten beiden Platten seiner Band The Shins jeweils die Top 3 der US-Hitparade erreicht, Brian Burton (aka Danger Mouse) ist nicht nur als Bestandteil von Gnarls Barkley, sondern vor allem als Produzent (unter anderem für das nächste U2-Album) mehr als gut im Geschäft. Eine Grammy-Nominierung hatten sie ebenfalls beide längst in der Tasche, bevor es Broken Bells gab. Und nicht zuletzt hatten sie bei diesem Projekt, auch wenn es aus einer flüchtigen Begegnung im Backstage-Bereich eines Festivals heraus entstanden ist, von Anfang an angekündigt: Das ist kein Testballon, sondern eine echte Zusammenarbeit, auf Langfristigkeit angelegt.

Der Nachfolger After The Disco ist der beste Beweis, dass dies kein Lippenbekenntnis war. Die Platte lebt von der Meisterschaft der beiden Beteiligten, sie lebt aber vor allem von ihrer Freude daran, miteinander zu arbeiten und gemeinsam Neues auszuprobieren. Es gibt etliche Ideen auf After The Disco, die gewagt sind, und die vielleicht sogar ein Innovator wie Brian Burton ursprünglich grenzwertig fand – dann aber womöglich umgesetzt hat, weil ihn James Mercer im Verfolgen dieser Idee bestärkt hat. Die Bee-Gees-Chöre und die Spandau-Ballet-Atmosphäre der Single Holding On For Life sind so ein Beispiel. Es gibt etliche Lieder wie The Changing Lights, die durch und durch Pop sind, beinahe nur Refrain, und damit eigentlich zu offensichtlich für Broken Bells wären und auch ein gutes Stück entfernt von dem, was normalerweise als Paradedisziplin von James Mercer gilt. Doch womöglich hat ihn Brian Burton ermuntert, genau auf diese Richtung zu setzen.

Ein Beispiel dafür ist auch der Opener Perfect World: Die Keyboardmelodie ist für sich genommen beinahe naiv, doch im Kontext dieses Songs und dieses Albums (dieser Effekt greift auch später auf After The Disco noch mehrmals) wirkt sie sophisticated. Der Titelsong hat gar kein Problem damit, vollkommen plakativ zu sein und alle Indie-Bedenken über Bord zu werfen. Leave It Alone bleibt akustisch und wagt sich an Soul-Referenzen und sogar Gospel-Flair. Die Bläser in Control würden in der Hand weniger talentierter Macher cheesy klingen, aber hier sind sie kongenial. Auch The Remains Of Rock & Roll ganz am Schluss des Albums hat, kein Wunder bei diesem Titel, viel Spaß an der großen Geste, mit Streichern, prototypischen Achtziger-Synthies und einem Gesang, der spätestens im Refrain ein gutes Stück over the top ist.

Der vielleicht am besten passende Bezugspunkt für After The Disco sind erstaunlicherweise Phoenix: Auch die streben nach Perfektion in jeder Note, ohne dass es ihren Liedern die Leichtigkeit nimmt, auch die wandeln traumwandlerisch zwischen Pop, Indie und Electro. No Matter What You’re Told, das beste Lied der Platte, hätten die Franzosen bestimmt auch gerne im Repertoire, ebenso wie Lazy Wonderland, dessen Melancholie ihren Ursprung irgendwo zwischen Sunday Morning von Velvet Underground und Playground Love von Air hat.

Das ist das vielleicht größte Kompliment, das man After The Disco machen kann: Die Platte braucht kein bisschen der Coolness, die Danger Mouse umweht, kein Stück von der Credibility James Mercers und sie braucht, das beweisen Broken Bells mit diesem zweiten Werk, auch nicht den Neuigkeitswert der Geburt einer interessanten Konstellation von zwei musikalischen Schwergewichten. Sie braucht nur gute Songs, die sehr abwechslungsreich sind, ohne dass das Album dabei seinen Charakter verlöre. Und davon gibt es mehr als genug.

Jacob Gentry hat die Entstehung von After The Disco in Form eines Kurzfilms erzählt:

httpv://www.youtube.com/watch?v=tCi4F8GZVqU

Homepage von Broken Bells.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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