Künstler | Cäthe | |
Album | Vagabund | |
Label | DEAG | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Von Vagabundieren kann zwar noch keine Rede sein, aber immerhin stand am Beginn des dritten Studioalbums von Cäthe ein Ortswechsel. Im Frühjahr 2014 zog sie von Hamburg nach Berlin, wo ein großer Teil der neuen Lieder entstand, meist auf der Gitarre. „Der Vagabund ist mein innerer Kompass, er will den Frieden ohne Schleimspur und das Chaos ohne Wahn“, erklärt Cäthe im Begleittext zum Album den Titel.
Wie auf dem hoch gelobten Debütalbum Ich muss gar nichts (2011) und dem ambitionierten Nachfolger Verschollenes Tier (2013) ist Cäthe auch diesmal aufregend genug, um von Männern angehimmelt zu werden, und selbstbewusst genug, um von Frauen verehrt zu werden. Große Kompetenz und Souveränität im Songwriting treffen auf eine ebenso große Leidenschaft und Unverwechselbarkeit im Gesang. Wer unbedingt „die deutsche Sheryl Crow“ dazu sagen will, liegt wahrscheinlich nicht allzu weit daneben.
Vagabund hat aber eine neue Qualität: Selbstverständlichkeit. „Ich habe mich gefragt, wohin ich diesmal meine Fühler ausstrecken soll. Es war mein Wunsch, ein Gefühl der Unmittelbarkeit zu schaffen“, erklärt Cäthe ihre Zielsetzung fürs dritte Album. Um das zu erreichen, wurde (doch wieder in der alten Hamburger Heimat) fast alles mit ihrer vierköpfigen Band und unter Regie von Produzent Stephan Gade (Niels Frevert) live aufgenommen.
Man möchte bei einer 32-jährigen Sängerin nicht so uncharmant sein und Lieder wie den Titelsong Vagabund als „reif“ bezeichnen, aber genau das ist er. Unter Palmen wird wunderbar lässig, das akustische Junge aus Sand hat genau die pittoreske Beiläufigkeit, die Verliebtheit eben haben kann. In Glaub mir, Honey gibt es keine Sekunde, die nicht brennen würde vor Intensität.
Halleluja entpuppt sich als musikalisch sehr originelle Hymne auf eine innige Beziehung, die eine Liebe sein kann, vielleicht aber auch eine Freundschaft. Stille Demut könnte als ein verträumter Moment von Wir sind Helden durchgehen. Yeah Yeah ist assoziativ, poetisch und romantisch wie die Stücke von Gisbert zu Knyphausen, Foto im Portemonnaie hat diesen untrüglich amerikanischen Sound, wie ihn der späte Westernhagen immer vergeblich angestrebt hat. Und hört man Die zu werden, die wir sind, dann wirkt es noch immer ein bisschen sensationell, dass so ein überzeugender Soul-Kracher aus Deutschland kommen kann.
Eine wichtige Stärke von Vagabund offenbart sich ganz am Schluss in Scheitern kann ich auch alleine. Denn das Lied zeigt, warum auf dieser Platte niemals ein anbiedernder Ina-Müller-Verdacht aufkommt: Wo die Hafenbar-Quasselstrippe versucht, betont hemdsärmelig, vorlaut und authentisch zu sein, ist Cäthe schlau genug, geheimnisvoll zu bleiben. Ihre Lieder kommen zwar auch mitten aus dem Leben, aber mit einem wichtigen Rest von Unbestimmtheit.