Hingehört: Choir Of Young Believers – „Grasque“

Künstler Choir Of Young Believers

Choir Of Young Believers Graque Kritik Rezension
Ein Weihnachtsgeschenk war die Initialzündung für „Grasque“.
Album Grasque
Label Ghostly International
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Es reicht jetzt langsam. Eigentlich reicht es sogar schon lange. Ich verstehe ja, dass Nachgeborene der Meinung sein können, die Ästhetik der Achtziger sei es wert, als Gesamtkunstwerk oder in ausgesuchten Teilen wieder zum Leben erweckt zu werden (auch wenn das ein Trugschluss ist). Aber es wäre schön, wenn junge Künstler auch mal wieder auf andere Inspirationsquellen zurückgreifen könnten. Wie sehr man diese Idee über hat, zeigen Choir Of Young Believers mit ihrem am Freitag erscheinenden neuen Album. Grasque ist nicht nur sehr Eighties, sondern auch sehr schlecht.

Das liegt zum einen daran, dass Jannis Noya Makrigiannis, der 31-jährige Kopf hinter der Band aus Dänemark, viele der schlimmsten Achtziger-Sounds auf dieser Platte wieder aufwärmt. Den Auftakt Olimpiyskiy hätten Spandau Ballet auch nicht schmieriger hinbekommen. Cloud Nine klingt wie Prince ohne Eier, der Titelsong Græske kombiniert ein paar zentrale Elemente von Blue Monday mit viel Geschwurbel, in Perfect Estocada wirkt Makrigiannis, als versuche er, die männliche Sadé zu werden.

Zum anderen ist schockierend, wie langweilig und wirr diese Platte ist. Ausgangspunkt für Grasque war ein Sampler, den Makrigiannis zu Weihnachten von seiner Mutter geschenkt bekam. Eigentlich wollte er die danach entstandenen Songs nicht mit der Band, sondern als Nebenprojekt veröffentlichen. Nun ist es doch das dritte Album von Choir Of Young Believers geworden. “I must admit, one of the things I worried about was ‘What will people think?’”, räumt Makrigiannis ein. “With almost all of these songs, I had been in doubt. Some, I felt, were too poppy, others too experimental—some didn’t even feel like songs, but more like trips, or feelings. Some even had Danish and Greek lyrics. But now, it’s all Choir of Young Believers to me, and it feels great to have pushed the walls around the band, giving it a bit more space. It’s weird for me to think about all that doubt. Could I do this? Could I do that? I mean, it’s my fucking band. I can do what I want with it. Right?”

Dieser Gedankengang mündet in maximaler Beliebigkeit. Die Stimme ist angenehm, aber die Experimente wirken aufgesetzt und selbstverliebt, die Melodien sind gewöhnlich, die Atmosphäre bleibt steril. Face Melting ist zu Beginn eine Klavierballade à la Simply Red, am Ende experimentell. Dazwischen sagt jemand ein paar Mal „Come On“, bezeichnenderweise mit einem Drittel der normalen Geschwindigkeit. In Gamma Moth erweisen sich Choir Of Young Believers als noch ein paar weitere Trittbrettfahrer von Zoot Woman, ohne auch nur den Hauch von deren Appeal zu entwickeln. Das auf Dänisch gesungene Jeg Ser Dig ist der einzige Moment, der halbwegs interessant ist. Der letzte Song verweist auf das zentrale Problem des Albums: Does It Look As If I Care?, heißt das Lied, und die Antwort lautet leider Nein.

Hätte man jemanden ohne Ohren und ohne Arme einen Monat lang vor ein Macbook gesetzt, wäre sicher spannendere Musik dabei herausgekommen. So hat Grasque zwei mögliche Effekte. Erstens: Man nickt weg. Oder zweitens: Man bekommt große Lust, mal wieder altmodische, kraftvolle, ernstgemeinte Gitarrenmusik zu hören.

In seiner Zweitheimat Griechenland entstand das Video zu Face Melting.

Choir Of Young Believers gibt es im April live in Deutschland:

11.04.2016 Bielefeld – Forum

12.04.2016 Hamburg – Aalhaus

13.04.2016 Berlin – Kantine am Berghain

Choir Of Young Believers bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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