Künstler*in | Clueso | |
Album | Stadtrandlichter | |
Label | Text und Ton | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Es ist vielleicht keine Neuerfindung, aber zumindest ein Wendepunkt für Clueso. Sein sechstes Album Stadtrandlichter ist das erste Werk, das auf seinem eigenen Label „Text und Ton“ erscheint, entstanden ist es vollständig in Eigenregie – und nach einer Phase, die Clueso selbst als so etwas wie eine Krise betrachtet. Nach An und für sich (2011) produzierte er, ebenfalls im Alleingang, zunächst zwei komplette Alben, die dann aber in der Schublade blieben. Dann war Stadtrandlichter, der Titelsong, die Initialzündung für die neue Platte. „Wir saßen im zweiten oder dritten Bandcamp zusammen. Auf einmal spielte unser Gitarrist Christoph ein paar Akkorde, die Band legte los, alles ging sehr schnell”, erinnert sich Clueso an diesen Moment der Befreiung aus der Sackgasse.
Das Spontane und Organische dieser Geburtsstunde ist durchaus typisch für Stadtrandlichter. „Jeder Song blieb, wie er zur Tür hereinkam“, erklärt Clueso das Konzept. Das merkt man der Platte und ihrem sehr runden, harmonischen Sound an. Es äußert sich aber auch in ein paar Defiziten: Manche Komposition und gelegentlich auch die Texte wirken so, als hätte es ihnen nicht geschadet, die eine oder andere Idee noch einmal zu überdenken und auszuarbeiten. Die Mentalität heißt auf dieser Platte oft „Kein Stress, passt schon“, und das ist nicht uneingeschränkt positiv.
Das größte Manko ist die fehlende Dynamik: Fast alle Songs sind im gemäßigten Midtempo, und das bedeutet leider auch: nichts ist wirklich mitreißend, euphorisch, engagiert. Man kann das „gefällig“ nennen, wenn man es gut meint mit Clueso (und natürlich gibt es reichlich Gründe, es gut mit ihm zu meinen, etliche Sympathiepunkte verdient er sich diesmal mit den Credits im Booklet, denen er gleich zwei Seiten einräumt, auf denen insgesamt 99 Leuten gedankt wird, und das sogar in ganzen Sätzen). Man kann es aber auch langweilig finden.
Still ist allenfalls medioker, Ich falle noch trägt gerade so die knapp zwei Minuten, die es lang ist. Auch das leicht psychedelische Unter Strom ist kein großer Wurf, Geradeaus ist schwül und dezent rockig im Sinne von Lenny Kravitz, freilich ohne dass man dabei ins Schwitzen käme.
Man könnte versucht sein, Clueso mangelnden Ehrgeiz vorzuwerfen, aber seine Karriere beweist, wie verfehlt das wäre: Der 34-Jährige hat mehr als eine Million Tonträger verkauft, mit den ganz großen der deutschen Musikszene zusammengearbeitet (Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Wolfgang Niedecken, Die Fantastischen Vier) und nebenbei ein Kreativ-Netzwerk in seiner Heimatstadt Erfurt aufgebaut, den „Zughafen“, der mittlerweile knapp zwanzig Mitarbeiter hat. Dass Stadtrandlichter so ist, wie es ist, ist kein Versäumnis und erst recht kein Versehen. „Wenn diese Platte so klingen soll, wie ich sie in meinem Kopf höre, dann muss ich Sounddesign und Produktion selbst in die Hand nehmen“, sagt Clueso und bestätigt damit, wie akribisch er hier an der Umsetzung seiner musikalischen Vision gearbeitet hat.
Und natürlich hat das Werk auch seine Höhepunkte. Der schmissige Startschuss Pack meine Sachen klingt, als hätte jemand Madsen den Schlagzeuger geklaut (alle anderen Madsen-Zutaten sind da: eine E-Gitarre, reichlich Optimismus und die nötigen Slogans). Freidrehen ist so etwas wie ein Festival in Liedform, aber nicht als Gefühl für ein Wochenende, sondern für ein ganzes Leben. Individuell sein, gemeinsam sein, sorgenfrei sein – das ist hier nicht nur Wunsch, sondern Aufforderung.
Der Titelsong lebt von seiner schönen Atmosphäre, Alles leuchtet thematisiert den Konflikt zwischen Prokrastination und Erwachsenwerden und ist damit typisch für den Mix aus Anekdoten aus dem Alltag und (manchmal nur halbgarer) Philosophie, der auch auf diesem Album die Texte von Clueso pägt. Das hübsche Nebenbei, mit dem Stadtrandlichter zu Ende geht, setzt zunächst nur auf Gesang und akustische Gitarre, Form und Inhalt passen hier so gut zusammen wie sonst selten auf diesem Album: Der Song verströmt genau die beiläufige Romantik, die da besungen wird, balanciert gekonnt zwischen Bodenständigkeit und hoch fliegenden Träumen. Das beste Lied ist das (ausnahmsweise) schwungvolle Sein Song, mit Gastauftritt von Udo Lindenberg. Die beiden besingen einen Jungen mit Gitarre, der vom Durchbruch als Rockstar träumt, vom Peter-Pan-Leben – natürlich steckt in dieser Figur auch ein gutes Stück Thomas Hübner aka Clueso drin.
Am besten kann Clueso nach wie vor leicht verwuschelte, sehr charmante Songs wie Wach auf, in dem er wie eine Kreuzung aus Jack Johnson und Jamiroquai wirkt, oder das sehr stimmige Galerie. Auch Lass den Kopf nicht hängen ist einer dieser Momente, die extrem relaxt sind, aber trotzdem reizvoll – man möchte sich liebend gerne anschließen. Auch wenn Stadtrandlichter als Neuanfang gedacht ist, bleibt diese Entspanntheit letztlich doch die größte Stärke von Clueso: Er hat genau die richtige Stimme dafür, er hat genau die richtigen Songs dafür, und er hat sogar das genau richtige Gesicht dafür.
Hübsch und entspannt: Freidrehen in der Akustik-Version:
Im Herbst ist Clueso auf Tour:
25.10.2014 Linz – Posthof
26.10.2014 Graz – Orpheum
29.10.2014 Wien – Arena
30.10.2014 Zürich – Xtra
01.11.2014 Amsterdam – Melkweg (ausverkauft)
02.11.2014 Luxemburg – Atelier
24.11.2014 Hof – Freiheitshalle
25.11.2014 Frankfurt – Jahrhunderthalle
26.11.2014 Oberhausen – König-Pilsener-Arena
28.11.2014 Braunschweig – Volkswagen Halle
29.11.2014 Köln – Lanxess Arena
01.12.2014 München – Zenith
02.12.2014 Stuttgart – Porsche Arena
05.12.2014 Berlin – Max Schmeling Halle
07.12.2014 Leipzig – Arena
08.12.2014 Hamburg – O2 Arena
27.12.2014 Erfurt – Messe