Künstler | Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen | |
Album | Alle Ampeln auf Gelb! | |
Label | Tapete | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Höchstwahrscheinlich hängt jetzt bei den Gentlemen der Haussegen schief. Davon muss man jedenfalls ausgehen, wenn man dem Presse-Info zu Alle Ampeln auf Gelb! glaubt, dem zweiten Album der Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Nachdem es mit dem Debüt Jeder auf Erden ist wunderschön (wie schon mit der Vorgängerband Superpunk) nicht so recht mit Ruhm und Reichtum geklappt hat, verloren die Damen an der Seite der fünf Musiker ein wenig die Geduld. Sie hätten nichts dagegen, wenn die Band einmal richtig durchstartet und wenn man sich von den Tantiemen, Plattenverkäufen und Konzerterlösen dann vielleicht sogar mal einen schönen Urlaub gönnen könnte, machten sie mit einiger Dringlichkeit deutlich. „Ihr habt diese ganzen Megahits auf der Pfanne! Nun nehmt die Dinger endlich auf!“, lautete demnach der Auftrag.
Natürlich haben sich Carsten, Tim, Gunther, Philip und Zwanie dieser Aufforderung verweigert. Zumindest behaupten sie das. Das ebenso Punk- wie Dandy-geprägte „Tu, was du willst!“ ist schließlich das zweitwichtigste Motto in der Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Es gibt nur einen Leitsatz, der noch wichtiger ist. Und der lautet: „Tu niemals, was du nicht willst!“
Es ist diese Entschlossenheit, keine Kompromisse zu machen, dem eigenen Weg treu zu bleiben und beim Schwimmen gegen den Strom auch noch die schickste Badehose und eine tadellose Frisur zu haben, die diese Band so einmalig macht. Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen besteht dabei keineswegs aus unangepassten Einzelgängern, die sich deprimiert ins stille Kämmerlein zurückziehen. Sie brauchen die Welt um sich herum, als die Niederung, über die man sich erheben kann, als feindliches Umfeld, das die Aufrechten nur noch enger zusammenschweißt, nicht zuletzt als Bühne und Publikum. Sie sind keine Eremiten, sondern Exzentriker.
Alle Ampeln auf Gelb! bietet entsprechend Ungewöhnliches wie Bongo- und Flügelhornsoli und Huldigungen an den Schauspieler Werner Enke (seine Filme werden im famos zackigen Opener Kennst du Werner Enke natürlich auf VHS-Kassetten geschaut), die Filmfigur Dr. Fritz Fassbender (es gibt ein nach ihm benanntes Instrumental) und den deutschen Graffiti-Pionier Peter Ernst Eiffe (im Titelsong, der ein sagenhafter Feger ist und zugleich die Worte „Statistisches Landesamt“ in den Text packt). Dazu kommen eine Riesenportion Stil und ein sehr hoher Spaßfaktor.
Hört man den Reggae-Rausschmeißer The Out-Crowd, freut man sich schon jetzt auf die kommenden Konzerte, Alleine auf Partys vereint Beobachtungsgabe, Augenzwinkern und einen mächtigen Groove wie das auch Madness kaum besser hinbekommen haben, Meine Kicks krieg ich von dir ist ein Liebeslied mit exakt null Prozent Seichtheit und exakt 110 Prozent Romantik. Mit dem höchst eleganten Begrabt mich bei Planten un Blomen hat Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen diesmal sogar eine Ballade voll bittersüßer Melancholie dabei.
Der Song, der das Selbstverständnis der Band am besten zur Geltung bringt, ist Rock-Pop National. Natürlich wird besagtes Genre hier gebrandmarkt, unter anderem als „einfach nur Schund / und wenn ihr mich fragt entehrend“, seine Hörer bemitleidet und seine Protagonisten lächerlich gemacht. Als akustische Alternative werden Labels vorgestellt, von denen Max Mustermann sicherlich noch nie etwas gehört hat. Das zeigt: Bei dieser Band wird die Welt in erster Linie über guten Geschmack definiert. Alles, was diesen Geschmack vermissen lässt, ist eine persönliche Beleidigung. Alles, was ihm entspricht, macht die Welt ein bisschen erträglicher.
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen gerieren sich dabei auch auf Alle Ampeln auf Gelb! erfreulicherweise niemals als verkniffene Geschmackspolizei, sondern eher als fassungslose Opfer einer grassierenden Ignoranz für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens (Feiern, Freunde, Fußball, Musik, Klamotten). Ihre Fixierung auf den richtigen Stil ist in gewisser Weise nur Notwehr gegen eine hässliche Welt. Das Unglück bin ich macht das deutlich (es könnte ein inoffizieller Nachfolgesong für das ebenso feine Mach mich traurig vom Debüt sein), und Sänger Carsten Friedrichs wird darin zum mitreißendsten Pechvogel der Welt.
Und dann ist da ja noch Der Amateur. „Ich liebe einfach, was ich tu“ heißt hier die Übersetzung von Amateur. „Kein Zwang, kein Nerv und keine Rechenschaft / nichts weiter als Genuss und Leidenschaft“, wird das später ausdefiniert. Rund um diese Botschaft erwächst ein Hammer von einem Song, mit Riesenrefrain und grandioser Spritzigkeit. Das Lied ist selbstbewusst, aber nicht arrogant, es ist schick, ohne sich einen feuchten Furz für Trends zu interessieren, es beinhaltet unfassbar viel Lebensweisheit, ohne jemals in Versuchung zu kommen, einen Zeigefinger zu erheben. Und es ist, die Damen im Hause Gentlemen wird das freuen, ein gottverdammter Megahit.
Das Video zu Das Unglück bin ich lehrt, wie man seinen Sänger entsorgt.
httpv://www.youtube.com/watch?v=zdVBsMktepc
Die anstehenden Tourdaten versprechen feinste Unterhaltung:
28.05.14 Bremen – Dete
29.05.14 Berlin – Lido
30.05.14 Lüneburg – Salon Hansen
31.05.14 Hamburg – Hafenklang
10.09.14 Bielefeld – Bunker Ulmenwall
11.09.14 Düsseldorf – The Tube
12.09.14 Mainz – Schon Schön
13.09.14 Aachen – Raststätte
30.09.14 Bamberg – Morph Club
01.10.14 Zürich – Hafenkneipe
02.10.14 Ravensburg – Zehntscheuer Ravensburg e.V.
03.10.14 Nürnberg – Club Stereo
04.10.14 Leipzig – Ilses Erika