Hingehört: Drenge – „Undertow“

Künstler Drenge

Die Brüder Loveless tragen ihren Namen nicht zu Unrecht, zeigt ihr zweites Album.
Die Brüder Loveless tragen ihren Namen nicht zu Unrecht, zeigt ihr zweites Album.
Album Undertow
Label Infectious
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Es gibt Bands, die werden entdeckt, nachdem sie sich den Weg auf eine Bühne in Glasgow freigeprügelt haben (Oasis). Es gibt Bands, die ihren internationalen Durchbruch einer Musikkassette im Gepäck eines Austauschstudenten zu verdanken haben (Roxette). Es gibt Leute, die an der Tankstelle vor sich hinsingen und deshalb einen Plattenvertrag angeboten bekommen (Toni Braxton).

Die Geschichte, wie Drenge aus Sheffield so richtig bekannt geworden sind, ist noch ein bisschen origineller. Als der Politiker Tom Watson, zur Zeit der Regierung von Gordon Brown eine ziemlich große Nummer in der britischen Labour-Partei, im Juli 2013 seinen Rücktritt verkündete, weil er sich weniger Stress und mehr Zeit fürs Privatleben wünschte, da schloss er seine entsprechende Erklärung mit den Sätzen „be that great Labour leader that you can be, but try to have a real life too. And if you want to see an awesome band, I recommend Drenge.”

Damals standen Drenge gerade kurz vor der Veröffentlichung ihres selbstbenannten Debütalbums, jetzt legen die Brüder Rory Loveless (Schlagzeug) und Eoin Loveless (Gitarre und Gesang) mit Undertow nach. Die meisten der Songs haben sie auf Tour geschrieben und aufgenommen, produziert wurde die Platte von Ross Orton. Bei drei Songs erhalten Drenge zudem Unterstützung von Rob Graham am Bass, der die Band auch bei der anstehenden Tour begleiten wird, die sie auch für zwei Konzerte nach Deutschland führt.

Was Tom Watson so begeistert hat, lässt Undertow schnell erkennen. Drenge können düster und bedrohlich sein wie eine Gewitterwolke (Side By Side), aber auch eingängig, sogar elegant wie im Maximo Park-ähnlichen The Woods. Der instrumentale Titelsong ist nahe an Stoner-Rock, die Single We Can Do What We Want hat viel Tempo und Aggressivität und eindeutig Punk-Charakter. Standing In The Cold ist auf mysteriöse Weise sensibel und lebt vom Willen, sich zu veräußern für die winzige Chance auf ein kleines Glück.

Der Guardian hat die Musik der Gebrüder Loveless einmal eine „Eruption von Garage, Grunge und Space-Rock, kombiniert mit Crooning im Stile von The Damned oder den Misfits” genannt, und das ist auch für Undertow eine treffende Charakterisierung. Der Auftakt Running Wild bietet kraftvolle Drums, Gesang, der auch schon einmal etwas von Morrissey gehört hat, und Gitarrenarbeit, die Härte mit Melodie (und einem ausgiebig genutzten Chorus-Effekt) zu vereinen weiß. In Never Awake trifft das Metallische und Brutale von Therapy? auf einen Gesang, der irritierenderweise manchmal an die melancholischen Momente der Kaiser Chiefs erinnert.

Favourite Son wird getragen von einem klasse Riff und einer Verweigerungshaltung, die sich eindeutig nicht nur auf die Zeile „I don’t want to be loved by your favourite son“ bezieht, sondern auf die ganze Welt. Und wenn Drenge sich in Snake mit der Zeile „I’m a snake who puts you down“ in ein Reptil verwandeln, dann sind sie selbstverständlich keine heimtückische, womöglich filigrane Giftschlange, sondern eine mächtige Boa Constrictor. Oft klingt das Duo wie ein Prequel zur Karriere von Nirvana, und zwar bevor Nirvana endgültig den Glauben an die Welt verloren haben. Diesem Sound einen Popularitätsschub zu geben, war eindeutig nicht die schlechteste Leistung im politischen Wirken von Tom Watson.

Drenge spielen We Can Do What We Want bei Letterman.

https://www.youtube.com/watch?v=74LZik-XMvA

Homepage von Drenge.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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