Künstler | Dum Dum Girls |
Album | Too True |
Label | Sub Pop |
Erscheinungsjahr | 2014 |
Bewertung |
Es ist sicher nicht zu hoch gegriffen, wenn man Too True als eine schwere Geburt bezeichnet. Im Sommer 2012 begann Dee Dee Penny, jenseits der Konzerte die einzige kreative Kraft hinter den Dum Dum Girls, mit der Arbeit an neuen Songs. Dass ihr drittes Album erst anderthalb Jahre später fertig wurde, hatte mehrere Gründe. Zunächst stand eine weitere Tour mit den Songs der End Of Daze-EP an. Dann sollten die neuen Stücke in Los Angeles weiter verfeinert werden, erwartungsgemäß mit ihrem Lieblingsteam aus Richard Gottehrer und Sune Rose Wagner (Raveonettes) als Produzenten. Doch Dee Dees Stimme versagte, und so musste sie unverrichteter Dinge zurück nach New York.
Dort stellte sie fest, dass sie mit den neuen Liedern nicht restlos zufrieden war, also wurde vieles noch einmal überarbeitet. Schließlich nahm sie auch den Gesang auf, in ihrem eigenen kleinen Schlafzimmerstudio. Dann war Too True endlich im Kasten, von Dee Dee wunderbar kategorisiert als „my best attempt at joining the rock’n’roll ranks, of chasing pop into the dark”.
Hört man die Platte, dann wirken die vergeblichen Anläufe beinahe zwangsläufig, denn das wichtigste Thema ist hier das Scheitern und Wiederaufstehen. Noch immer machen die Dum Dum Girls Musik, die noch nie das Sonnenlicht erblickt hat, wie etwa im extrem düsteren Lost Boys And Girls Club, das den Verdacht weckt, die B-52s hätten sich kurz fürs Wave Gotik Treffen verkleidet. Ihr Blick auf das Leben besagt: Der Tod ist gewiss, das Glück hingegen nicht. Aber nichts klingt deshalb depressiv. Dee Dee Penny weiß um Fallstricke, Niederlagen und Tragödien, aber sie unterwirft sich diesem Wissen nicht. „Here it was spelled out for me: Desire as muse; Life as experiment; a miracle for every failure and vice-versa”, fasst sie ihre Erkenntnisse während des Entstehungsprozesses von Too True vielsagend zusammen.
Under These Hands ist eines der Lieder, die das sehr deutlich machen, mit der Botschaft: Es gibt Hoffnung – so schwer es auch ist, daran zu glauben. In The Wake Of You fußt auf einer trotzigen Grundeinstellung, erlaubt sich aber auch einen Hauch Euphorie, gepaart mit einem guten Riff und einem fast fröhlichen Beat. Little Minx hat ebenfalls einen klasse New-Wave-Rhythmus zu bieten und gibt am Ende richtig Gas. Rimbaud Eyes ist knackig und packend, lässt erst Erinnerungen an die Bangles aufkommen und führt dann zur Erkenntnis: So gut waren die Bangles nie, wenn sie sich an Rock versucht haben.
Faszinierend ist dabei, auch angesichts der verschiedenen Phasen der Überarbeitung, wie rund das Album klingt. Die Songs sind aneinander gebunden, betont auch Dee Dee, “not just by an overall sonic palette and new guitar pedal, but by time, intention, and fervor”.
Suede, Siouxie & The Banshees, The Cure, Madonna und die Stone Roses benennt Dee Dee als Inspirationsquellen, eine ganz wichtige Rolle spielten auch einige Literaturgrößen und die „punk poet singers Patti Smith and Lou Reed, who, like many I consider to be my spiritual parents“. Das sind große Fußstopfen, aber die Texte erweisen sich diesen Vorbildern als würdig. „You know all my secrets / you know all my lies / I know all your anger / I know all your alibis / I belong / we belong / to the cult of love”, singt sie im Opener, zu einem Pat-Benatar-Beat und einer Surfgitarre und gefolgt von der Frage “Won’t you join in too?” – und man kann kaum anders, als diese Frage ohne Bedenkzeit zu bejahen.
„Why be good? / be bautiful and sad / it’s all you’ve ever head“, dichtet sie im großartigen Evil Blooms, in dem wieder einmal ihre Belinda-Carlisle-Gedächtnisstimme glänzen darf. Die Ballade Are You Okay? verströmt eine betörende Melancholie und thematisiert die Erfahrung, dass das Angebot von Beistand und Verständnis eines anderen manchmal erst recht dessen Hilflosigkeit (und die eigene) zeigt.
Die eigene Verletzlichkeit ist auch das Thema im absoluten Höhepunkt des Albums, ganz am Ende: Das irre Trouble Is My Name ist zugleich traurig und erbaulich, majestätisch und sagenhaft einfühlsam. Es wirkt wie ein Glaubensbekenntnis, zum eigenen Mut, zur Kraft des Willens und zur Bereitschaft, immer wieder in den Abgrund zu blicken. Das war bei den Dum Dum Girls immer ein wichtiges Thema – aber mittlerweile wirkt Dee Dee Penny wie eine gestählte Kriegerin, die ihre Wunden aus dem Kampf mit dem Leben mit Stolz trägt.
Die Dum Dum Girls spielen Rimbaud Eyes bei Letterman:
httpv://www.youtube.com/watch?v=s5yFaT7ZWZ0