Künstler | Eels | |
Album | Royal Albert Hall | |
Label | E-Works | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Humor ist nicht gerade das, was man von einem Konzert der Eels erwartet. Die Band zählt Tod, Depression und Geisteskrankheit zu ihren wichtigsten Themen. Im Rolling Stone hat Frontmann Mark Everett einmal klargestellt: „Du hast einen Hit, und plötzlich sind all die biersaufenden Fußballprolls da, die dich bepöbeln, wenn du deinen Hit mal anders spielst. Nein, die Fans, die ich mag, sind die intelligenten Kids, die Introvertierten. Für die spiel ich.“ Und auch auf dem jüngsten Studioalbum der Eels zeugen Songtitel wie Serie Of Misunderstandings oder Mistakes noch davon, wie schwer es für sie ist, einfach eine gute Zeit zu haben.
Auf dem siebten Livealbum der Band, aufgenommen mit zwölf Kameras am 20. Juni 2014 in der Londoner Royal Albert Hall und nun als Doppel-CD und DVD veröffentlicht, gibt es dennoch einige sehr gute – und vor allem: sehr bedeutende – Pointen. Zu Beginn sind die fünf Musiker in ihrer Garderobe zu sehen. Dort, wo sonst Orgien gefeiert werden, wie Mark Everett mutmaßt, läuft nun ein Mann mit einem Nasenhaarschneider durch den Hintergrund, während der Sänger mit einer Tasse Tee in der Hand die Royal Albert Hall als „just another dump in our tour of dumps“ abkanzelt.
Später stellt er dem Publikum in London seinen Roadie als Charles Manson vor. Er verspricht, diesmal nichts zu spielen als „sweet soft bummer rock“ (bei ihrer vorherigen Tournee hatten die Eels in Trainingsanzügen noch ausschließlich krachige Songs dargeboten). Und er küsst den Boden der Bühne, an der Stelle, wo einst John Lennon gestanden hat, bloß um festzustellen: „Schmeckt eher nach Keith Richards.“
Den besten Witz des Albums gibt es aber nach einer guten halben Stunde: „I’m feeling better. This time I mean it“, sagt Mark Everett da tatsächlich. Um kurz darauf die Band für den nächsten Song A Daisy In The Concrete sogar aufzufordern: „I wanna have some fun.“
Natürlich ist an diesem Bekenntnis zum Fröhlichsein nichts dran. Die Eels bieten auch hier meisterhafte Melancholie, erlesene Schwermut und ein kleines bisschen Trost, der einerseits dem Leben hart abgerungen ist und andererseits in der Tatsache steckt, dass es auch Leidensgenossen gibt, mit denen man sich an einem Abend wie diesem gegenseitig stützen kann. Passend dazu sieht es fast widerwillig aus, als sich die Bandmitglieder auf den Weg zur Bühne machen. Die DVD zeigt diese Sequenz in schwarz-weiß, bevor die Eels den Konzertsaal betreten und in die pure Altehrwürdigkeit dieses Gebäudes blicken, getaucht in wundervolles Indigo.
Die Songs der folgenden anderthalb Stunden sind schnell hintereinander geschnitten, was einen wichtigen Effekt von Royal Albert Hall verstärkt: Der Sound ist sehr einheitlich, die Lieder aus verschiedenen Schaffensphasen der zehn Studioalben umfassenden Karriere der Eels verschmelzen zu einem Gesamtkunstwerk.
Optisch passiert (in Sinne einer Bühnenshow) nicht viel, trotzdem bietet die DVD gegenüber den ebenfalls enthaltenen zwei CDs einen sehr entscheidenden Vorteil: Sieht man Mark Everett bei diesen Songs (und vor allem bei seinen Ansagen) auch, dann wirkt er nicht mehr patzig oder betrunken, sondern bloß so charmant-miesepetrig wie eh und je. Die Kamera zeigt seine faltigen Hände auf der Klaviatur, seine hängenden Schultern, wenn er die Gitarre spielt, die grauen Strähnen im Bart, wenn sich sein Mund dem Mikrofon nähert, und man erkennt: Endlich hat E den passenden Look zu der Musik, die er schon seit dem Debütalbum Beautiful Freak im Jahr 1996 spielt. Beinahe wirkt es, als würde sein Körper nach und nach in seine Gemütshaltung hineinwachsen.
Vielleicht lächelt Mark Everett während der Show tatsächlich manchmal, aber unter dieser Gesichtsbehaarung (wegen seines Barts wurde er einmal von der Londoner Polizei für einen Terroristen gehalten und festgenommen) wäre das beim besten Willen nicht zu erkennen. Seine ganz persönliche Variante von Spaß scheint er trotzdem zu haben, wie seine Wortspiele bei den Ansagen zeigen und der Entschluss, sich am Ende des regulären Sets mit der Aufforderung/Bitte „Give me a hug“ ins Publikum zu wagen, wo er dann minutenlang durch die ersten Reihen der Royal Albert Hall läuft.
Als er zurückgekehrt ist, gibt es die Highlights dieser Show. I Like The Way This Is Going als erste von acht (!) Zugaben ist fantastisch, bei Last Stop: This Town gibt es nach den ersten Zeilen einen Szenenapplaus, das Elvis-Cover Can’t Help Falling In Love ist ebenso überraschend wie respektvoll und originell interpretiert. Und dann darf Mark Everett ganz am Ende doch noch die mächtige Orgel der Royal Albert Hall spielen – eingeleitet von einem faustischen Lachen und verkleidet in einem passenden Kostüm.
Als er das beim ersten Auftritt dort neun Jahre zuvor bereits tun wollte, war ihm die Benutzung des wertvollen Instruments noch untersagt worden. Auch diesmal habe er um Erlaubnis gefragt und wieder ein „Nein“ zur Antwort erhalten, hatte er vorher in der Show berichtet, was ihn zur Schlussfolgerung führte: „Ich muss mich wohl eines Tages hier hereinschleichen und die Sache selbst in die Hand nehmen.“ Ein Witz, natürlich.