Künstler | Eels | |
Album | The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett | |
Label | Pias | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Die Musik der Eels ist der Inbegriff der Idee von Clubbing. Tanzen, feiern, flirten – um nichts anderes geht es hier. Somit auch: um nichts als Oberfläche. The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett kombiniert eine höchst wirkungsvolle Primitivität mit famoser Leichtigkeit. Hier wird mit Image gespielt, mit Fantasien, mit der unkaputtbaren Hoffnung, dass es irgendeinen Moment im Leben geben wird, der für all die Enttäuschungen zuvor entschädigt – und dem Wissen, dass dieser Moment vielleicht ein Popsong sein kann. Die neue Platte ist Pop in Perfektion. The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett ist ein sagenhaft schwungvolles, spaßiges, ansteckendes Album geworden, ein einziger Adrenalinrausch. Man kann nicht anders, als ihm mit Haut und Haaren zu verfallen, und man braucht auch nicht lange dazu.
Natürlich ist das Quatsch. Der Absatz oben ist zusammenkopiert aus meinen Texten über Katy Perry, David Guetta und Crystal Fighters, lediglich den Namen des Albums und der Interpreten habe ich dabei ausgetauscht. Von Mark Everett, genannt E, bekannt als Hirn, Gesicht und Stimme der Eels, bekommt man auch auf dem elften Album genau das, was man von ihm haben möchte: Trübsal, in der filigransten denkbaren Form. Wenn sogar ein legendärer Grantler wie Tom Waits gesteht, dass er jede neue Platte der Eels geradezu herbeisehnt, dann zeigt das: Die Stimme von Mark Everett ist zu so etwas wie einem Markenzeichen geworden, der Inkarnation von Trost in trostlosen Zeiten.
Agatha Chang ist eines dieser typischen Eels-Lieder, die kein Licht kennen, keine Hoffnung. Parallels zeigt, dass man die große Liebe auch dann feiern kann, wenn sie durch Abwesenheit glänzt. Dead Reckoning ist ein Lied, in das sich Everett unsagbar hineinsteigert, ohne aber jemals so etwas wie Ekstase oder gar Erlösung zu finden.
Kein Wunder: Der Mann hat einiges durchgemacht. In seinem Buch Things The Grandchildren Should Know erzählt er vom Aufwachsen in einer schrägen Familie – und davon, wie sämtliche Mitglieder dieser Sippe nach und nach starben, bis nur noch er übrig war. Es ist dieses Trauma, das seine Musik geprägt hat, bis heute. “Everyone knows that if you want to write something convincing, you write about what you know. And what I know best are my experiences. I’m so lucky in so many ways, but it hasn’t been easy. I may as well have been raised by wolves. I’ve had to figure everything out the hard way, through trial and error. I grew up very fast in some ways, and very slow in others. These are some of the trials and errors“, sagt er auch über die Songs auf The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett.
Es gibt noch mehr Kontinuitäten rund um diese Platte. Zum einen sind die anderen Eels-Mitglieder Koool G Murder, The Chet, P-Boo und Knuckles diesmal wieder stark involviert. Sie hatten vor allem beim Arrangieren des Orchesters (es gibt auf diesem Album unter anderem Klarinetten, ein Fagott, Flöten und singende Sägen zu hören, und Lieder wie das höchst elegante Answers oder das in der Nähe von Burt Bacharach angesiedelte Lockdown Hurricane profitieren am deutlichsten davon) ihre Finger im Spiel. „The title may make you think it’s a solo album, but it’s very much a group effort”, betont Mark Everett.
Zum anderen gehen etliche der neuen Lieder auf die Sessions für Wonderful, Glorious zurück. Nach diesem 2013 erschienenen Album und der folgenden Welttournee war noch reichlich Material übrig. „I listened to what we had done, and it made me uncomfortable… but not uncomfortable enough. I decided to scrub over half of the songs and write new ones that would make me feel even more uneasy”, sagt Everett nur halb im Scherz, denn er weiß: “If I’m not uncomfortable, It’s not real enough.”
Und, bei Gott, man kann ihm wirklich nicht vorwerfen, er mache es sich in diesen Liedern einfach. „When I was young, I had a dream / I would be held in high esteem / I thought I’d end up a gentleman / distinguished, respected, refined”, singt er zum Beispiel in Gentlemen’s Choice. Dann geht es weiter: ”The life that I’ve lived / I’m better off dead / the world has no use for my kind.”
Auch Mistakes of My Youth hat diesen Charakter, es ist eines von vielen Liedern, in denen die Retrospektive betont wird und das deshalb wie ein Testament oder eine Beichte klingt: “In the dark of night I might be able to make myself think / That I’m still a younger man / But when the light of day shines down / There’s no way to get around it / I am not a younger man / I keep defeating my own self / And keep repeating yesterday / I can’t keep defeating myself / I can’t repeating the mistakes of my youth”, heißt es da – und es ist kaum zu fassen, wie viel Gelassenheit die Musik ausstrahlt, die diese tonnenschwere Selbstreflexion begleitet. Das klingt beinahe, als hätten die Eels Sorge dich nicht, lebe vertont.
Die Rückschau, wenn auch mit einem anderen Subjekt, prägt auch Series Of Misunderstandings, das nur aus einem Glockenspiel, Gesang und einem sich später hinzugesellenden Cello besteht. „If I could do just one thing / Set the clock back many years ago / I’d teach that motherfucker that raised you / How to treat you right”, singt Mark Everett, und es sind genau diese gleichermaßen erbarmungslosen wie poetischen Zeilen, für die man ihn liebt.
Das Lied gibt auch einen Hinweis darauf, dass The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett keineswegs nur Nabelschau ist, sondern eine Platte, die auch das Außen kennt, die Welt, ein Gegenüber. „It’s inspired by something I went though. Someone I lost, by choice, and later came to regret losing”, erklärt Mark Everett, ohne Details zu nennen. “It wasn’t until I started to look at my role in it that it began to feel like I was getting somewhere worthwhile. The experience transformed me. This is the musical version of that experience. I’m hoping it could maybe serve as some sort of example for others. To learn from my mistakes.”
Der Albumtrailer zu The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett.
httpv://www.youtube.com/watch?v=yrw7l1ZO2m0
Vielen Dank für diese kleine Perle einer Rezension. Trifft die Stimmung der Platte sehr gut.