Element Of Crime – „Lieblingsfarben und Tiere“

Künstler*in Element Of Crime

Die Instrumente lehnen sich bei Element Of Crime neuerdings gegen den Sänger auf.
Die Instrumente lehnen sich bei Element Of Crime neuerdings gegen den Sänger auf.
Album Lieblingsfarben und Tiere
Label Vertigo
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Das Schönste an Lieblingsfarben und Tiere, dem 13. Studioalbum dieser Band (wenn man das englischsprachige Frühwerk mitzählt) ist die Erkenntnis, wie selbstverständlich, unverkennbar und souverän Element Of Crime mittlerweile klingen. Wenn die Trompete von Sven Regener ertönt, denkt man längst nicht mehr „TexMex“. Wenn sie diesen Sound spielen, der klingt, als sei Country nach dem langen Weg über den großen Teich als heftig lädiertes Strandgut in Bremerhaven angespült worden, dann wundert man sich kein bisschen mehr. Wenn in Dunkle Wolken, das wahrscheinlich von Depression und dem Umgang mit ihr handelt, Zeilen wie „Einmal ist es Liebe / zweimal schon krank / das dritte Mal Mitleid / das vierte Mal Punk“ auftauchen, dann braucht man keine Referenz mehr aus dem Oeuvre der US-Säulenheiligen. Man kann einfach denken: Aha, Element Of Crime.

Passend dazu ist man sofort mittendrin in dieser Platte. Es gibt kein Vorgeplänkel, nach gerade mal acht Sekunden erklingt zum ersten Mal Regeners Stimme und das fühlt sich so plötzlich an, dass man sich fast wie ein Eindringling vorkommt in dieser intimen Szene, in der sich alle schon ewig zu kennen scheinen, in ihren eigenen Codes sprechen und eine Musik hören, die die ganze Welt zu kennen behauptet, aber vielleicht trotzdem nichts mehr von ihr wissen will. „Bleib doch noch“, heißt am Ende dieses Lieds, Am Morgen danach, trotzdem die Einladung, der man natürlich gerne folgt.

Es gibt danach viele Höhepunkte auf dieser Platte und keinen einzigen Ausfall. Immer so weiter stellt beinahe schnippisch fest, dass immer nur die Dinge verlässlich, stetig und stabil sind, bei denen man das nicht so haben will, die Musik dazu ist etwas ruppig in der Strophe, etwas Chanson im Refrain. Mit viel Wah Wah begegnet der Titelsong den Floskeln und Götzen der digitalen Ära, und preist Entschleunigung und Genügsamkeit als Gegenprogramm dazu. Rette mich (vor mir selber) beweist, dass niemand auf der Welt das Wort „heimatlos“; so glaubwürdig singen kann wie Sven Regener (und auf die wunderbar sentimentale Zeilen „Rette mich vor mir selber / Hauptsache Liebe, und Hauptsache du“ trifft das vielleicht auch zu).

Das Besondere an Lieblingsfarben und Tiere, aufgenommen in den Tritonus Studio in Berlin-Kreuzberg, ist das Gleichgewicht, das hier vielleicht erstmals in der deutschsprachigen Geschichte von Element Of Crime zwischen Texten und Musik, dem Gesang und den Instrumenten zu herrschen scheint. In jedem Fall haben letztere den Kampf aufgenommen, proben den Aufstand innerhalb des Septetts. Schade, dass ich nicht da war unterstreicht das mit einer unterschwelligen Dringlichkeit. Schwert, Schild und Fahrrad findet genau den richtigen Sound für diese Reflexion über Nostalgie, die hier so schön klingt, dass man gar nicht auf die Idee kommen kann, Nostalgie könnte ein gefährliches, rührseliges, kitschiges Konzept sein. Auch im Album-Schlusspunkt Wenn der Wolf schläft, müssen alle Schafe ruhen gilt: Viel romantischer geht es nicht.

Natürlich gibt es auch noch ausreichend Passagen, in denen die Texte von Sven „Ja, ich habe auch richtig echte Schriftsteller-Meriten“ Regener glänzen dürfen. Wie sehr er sich den Ehrentitel als „der deutsche Bob Dylan“ verdient hat, war nie so deutlich wie in Liebe ist kälter als der Tod, und zwar längst nicht nur wegen der Assoziationen, die die Zeile „Wenn du sie siehst, grüß sie von mir“ weckt. Er raunzt und dichtet assoziativ, bitter und weise, selbst ein Saxofonsolo klingt da himmlisch.

„Das sind Geschichten, die einer erzählt, der gar nichts mehr glaubt“, heißt es an einer Stelle von Lieblingsfarben und Tiere, aber davon kann natürlich keine Rede sein. Element Of Crime haben wieder ein Album der Hoffnung gemacht, wie nicht zuletzt das wunderschöne Dieselben Sterne beweist: Vielleicht ist es Liebe, die Regener da besingt, vielleicht Familie, vielleicht Freundschaft. In jedem Fall: Menschlichkeit.

Element Of Crime spielen Dieselben Sterne im, hüstel, Morgenmagazin.

http://www.youtube.com/watch?v=ATdcwla8WLA

Die Tourdaten 2015 von Element Of Crime:

20.02.2015    Erlangen – Heinrich-Lades-Halle
24.02.2015    Stuttgart – Theaterhaus
25.02.2015    Stuttgart – Theaterhaus
26.02.2015    München – Zenith
27.02.2015    Dresden – Alter Schlachthof
28.02.2015    Leipzig – Haus Auensee
02.03.2015    Frankfurt – Jahrhunderthalle
03.03.2015    Köln – Palladium
04.03.2015    Bochum – Jahrhunderthalle
05.03.2015    Hannover – Swiss Life Hall
07.03.2015    Bremen – Pier 2
08.03.2015    Hamburg – Alsterdorfer Sporthalle
17.03.2015    Berlin – Tempodrom
18.03.2015    Berlin – Tempodrom

Homepage von Element Of Crime.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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