Künstler | Emilie Nicolas | |
Album | Like I’m A Warrior | |
Label | Four Music | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Like I’m A Warrior? Man muss diesen Titel für eine Mogelpackung halten. Fast nichts auf dem Debütalbum von Emilie Nicolas, mit dem die Norwegerin in ihrer Heimat schon Platz 1 der Charts erreicht hat und das heute auch in Deutschland erscheint, klingt kämpferisch. Die 26-Jährige wirkt kein bisschen wie Frigg (die Frau von Odin), sie wirkt nicht einmal so gefährlich wie die zierliche Mattie Ross in True Grit. Aber so ist der Name der Platte auch gar nicht gemeint.
„Der Albumtitel verbindet alle Songs miteinander. Like I’m A Warrior stammt aus einem Text, den ich geschrieben habe. Ich hab alles unter meine Haut gelassen, als wäre ich ein Krieger“, erklärt Emilie Nicolas. „Für mich geht es um die Balance zwischen Verletzlichkeit und Stärke. Die Musik befasst sich mit beiden Aspekten und genau das ist das Konzept meines Albums. Die Songs sind meine Art, mich zu erklären. Und sie helfen mir dabei, mich besser zu fühlen.“
Das trifft schon viel eher den Geist dieser Platte, die sehr vielseitig ist („Mein Vater hörte viel Jazz und Bossa Nova. Natürlich habe ich auch die Musik der großen Stars in den 1990ern gehört. Ich habe laut zu Celine Dion und Destiny’s Child im Wohnzimmer mitgesungen“, umreißt die Sängerin ihre Einflüsse), sehr filigran (vor ihrer Popkarriere studierte Emilie Nicolas am Jazzkonservatorium in Oslo) und sehr modern. Das Beste an Like I’m A Warrior: Das Album hat einen guten Spannungsbogen und Emilie Nicolas hat, auch wenn Verweise etwa auf Ellie Goulding nicht ganz verfehlt sind, einen eigenen Charakter – beides nicht gerade häufig anzutreffen in den oberen Chart-Regionen.
Der Beginn ist dabei überaus schüchtern: In Nobody Knows bleibt selbst der Drumcomputer zurückhaltend, während Emilie Nicolas wie zu Tode betrübt darum fleht, jemand hätte sie vor dem Schmerz warnen mögen, den das Verliebtsein mit sich bringen kann. Die Musik wird dann mehr und mehr zur Entsprechung für diesen emotionalen Aufruhr – und die folgenden neun Songs sind fast durchweg ebenso faszinierend, besonders und selbstbewusst.
Let You Out klingt, als habe jemand all das Melodrama einer Coldplay-Hymne (und die Streicher von Viva La Vida) auf das Nötigste reduziert. Der Beat von Grown Up klingt wie ein altehrwürdiger Schiffsrumpf, an dem das Meer mächtig rüttelt. Games wirkt zunächst etwas unstrukturiert, aber wenn Emilie Nicolas am Ende beinahe a cappella singt, ist das enorm schön. Das innovative Put Me Down zeigt, wie viel Wert bei diesen Songs auf jeden einzelnen Ton gelegt wird.
So stilsicher der Sound ist, so irritierend sind allerdings gelegentlich die Texte, die – wohlgemerkt – ebenso wie die Musik von Emilie Nicolas selbst stammen, nicht von irgendeinem der vielen skandinavischen Hitproduzenten. Sie sieht sich „an erste Stelle als eine Songwriterin. Songs zu schreiben, ist für mich sowohl Ausdruck von Stärke als auch eine emotionale Befreiung“, betont sie.
Seltsame Bilder bringt das dennoch hervor. „You bring out the wolf in me“, singt sie beispielsweise in Charge, aber dabei klingt sie eher wie Bambi. Noch verwirrender ist Fail, der erste Track auf Like I’m A Warrior, bei dem der Sound etwas fetter wirkt. Während die 26-Jährige bis dahin eher über Selbstbestimmung oder Familie gesungen, sich introvertiert und reflektiert gezeigt hat, wird dies plötzlich ein ziemlich unterwürfiger Song über Oralverkehr. „Don’t call me lazy / I go down on him daily / you don’t know how I get him up in the sky / I don’t even touch a cloud, boy”, lautet der Refrain.
Ein wenig erstaunlich wirkt auch die Tatsache, dass sich Emilie Nicolas hier klar als talentierte Songwriterin präsentiert, das beste Lied der Platte aber nicht selbst geschrieben hat. Pstereo ist ein Cover eines norwegischen Tracks von den Bank Dumdum Boys – nichtsdestotrotz ist es mit dem Refrain „Together we’re stereo“ natürlich toller, ungezwungener, am Ende sogar hymnischer Pop.
Like I’m A Warrior ist stark genug, um solche kleinen Widersprüche und Defizite als die Luft nach oben erscheinen zu lassen, die Emilie Nicolas für ihren nächsten Longplayer bleibt. In jedem Fall zeigt die Norwegerin mit ihrem Debüt, dass man ihr dafür einiges zutrauen sollte. Und sie schafft es sogar, den Albumtitel doch noch plausibel wirken zu lassen: Der Kampf liegt ihr eindeutig nicht in den Genen, und er dient bei ihr auch nicht der Eroberung. Er ist hart erlernt, als eine Abwehr gegen die Angriffe der Welt. Als Selbstverteidigung.
Emilie Nicolas singt Pstereo im norwegischen Fernsehen.
https://www.youtube.com/watch?v=1kG9D7yuXpg