Künstler | Empire Escape | |
Album | You Are Not Alone | |
Label | Velocity Sounds | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Gestern habe ich Empire Escape live gesehen, beim Auftritt in der Leipziger Nato. Die Show hat meinen Blick auf diese Platte, die ich schon vorher fünf, sechs Mal gehört hatte, ziemlich verändert. Alle Bandmitglieder tragen gerade eine fiese Erkältung mit sich rum, teilte Sänger Hendrik Schäfer schon nach dem ersten Song sicherheitshalber mit. Und das war ein wichtiger Hinweis, denn man konnte an diesem Abend erleben, wie Empire Escape mit sich, ihren Möglichkeiten und ihrer Musik kämpfen. Sie verspielten sich ausgerechnet bei der aktuellen Single Forever, gerieten manchmal auch ganz wortwörtlich ins Taumeln, immer wieder brach die Stimme von Hendrik Schäfer.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Die krankheitsbedingten Schwierigkeiten haben die Show in Leipzig keineswegs ruiniert. Im Gegenteil: Sie haben Empire Escape etwas verliehen, was auf ihrem Debütalbum Colours (und manchmal auch auf dem Nachfolger You Are Not Alone) oft fehlt: Leidenschaft, Kampf und die Spannung, die daraus entsteht, dass man eventuell auch scheitern kann.
Ihr zweites Album, aufgenommen in Hamburg mit einem gehörigen Anteil von Produzent Torsten Otto (Beatsteaks, Tomte, Tocotronic), auf den die Band im Interview mit mir immer wieder zurückkommt, ist nicht ganz so geleckt wie das (durchaus passable) Debüt. Aber auch auf You Are Not Alone geben sich die vier Berliner manchmal zu sehr dem Formelhaften hin.
Wenn die Songs etwas schwächer sind wie das etwas träge For Better Or Worse und das für eine Ballade seltsam kühle Enormé oder wenn sie in Houses And Homes eine viel zu polierte und mathematische Herangehensweise für das hoch emotionale Thema des Songs (Flüchtlinge) wählen, dann ist es nicht schwer, Empire Escape fragwürdig zu finden.
Es gibt auf You Are Not Alone durchaus eine Diskrepanz aus der Größe der musikalischen Mittel und dem Ausmaß an Pathos, das in diesen Liedern steckt. Songs wie Invisible Balance können zugleich hymnisch und behelfsmäßig klingen, glitzernd und naiv. Aber Empire Escape haben ein paar sehr wirkungsvolle Mittel gegen solche Vorwürfe. Gute Melodien sind die gefährlichste Waffe in ihrem Arsenal (immerhin waren sie eine ganze Weile mit den Shout Out Louds auf Tournee), auch die Stimme von Hendrik Schäfer gehört dazu. Im Titelsong gleich zum Auftakt singt er die zentrale Zeile „This is not the end / it’s just another turn“ mit genau dem richtigen Maß an Überzeugung und genau dem nötigen Rest an Zweifel. Auch Forever, das beste Lied des Albums, erreicht diese reizvolle Ambivalenz aus reichlich Euphorie und ein paar Spurenelementen von Wut, Frust und Verzweiflung.
Don’t Leave Us In The Dark ist ein typischer Track für die Platte: der Beat eher streng als federnd, die Gitarrenarbeit simpel, aber effektiv. Wie eine robustere Version der Smiths klingen Empire Escape darauf, „Dreams never come true / when you expect them / love never shows up / when you try the hardest“, lautet die Erkenntnis.
Immer wieder exponieren sie sich auf You Are Not Alone derart ironiefrei, dass man es nur mutig finden kann. Bezugsgrößen wie die White Lies, die Killers, die Editors oder gar U2 sind hier sicher nicht falsch – es geht um große Gefühle, große Refrains, auch große Gesten. Aber dass Empire Escape nach dem Ausstieg einer zentralen Figur wie Gitarrist Julius Rothlaender, der nach der Tour zu Colours die Band verließ, weitermachen, und dass sie auch ein Konzert wie das in Leipzig durchstehen, beweist: Diese Herangehensweise ist bei Empire Escape keine Fingerübung, sondern hart erarbeitet. Kein Theater, sondern Herzensangelegenheit. Sie sind keine Karrieristen, sondern Überzeugungstäter.
Schön ramponiert: das Video zu Forever.
Die Band gibt es weiter live zu sehen:
16.10.2015 – Musik & Frieden – Berlin
17.10.2015 – Molotow Karate Keller – Hamburg
20.10.2015 – Schon Schön – Main
21.10.2015 – Gotthard Bar – Zürich
22.10.2015 – Museumskeller – Erfurt
23.10.2015 – Tsunami Club – Köln
29.10.2015 – Glockenbachwerkstatt – München
30.10.2015 – Bebel – Cottbus