Künstler | Erdmöbel | |
Album | Geschenk | |
Label | jippie! Industrie | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Das Weihnachtsalbum ist so etwas wie das Chlorhühnchen der Musikszene: Vollkommen üblich (und ein Riesengeschäft) in den USA, glücklicherweise wenig willkommen hierzulande. Man stelle sich vor, wie Xavier Naidoo sich an Gospel versucht, Helene Fischer ein paar Volkslieder abmurkst oder Cro Oh du fröhliche mit einem HipHop-Beat unterlegt. Das braucht wirklich kein Mensch.
Erdmöbel sind die Ausnahme von der Regel. Das Quartett aus Köln hat jetzt mit Geschenk ein Weihnachtsalbum veröffentlicht, und es gibt mindestens zwei Gründe, warum man dagegen keinerlei Einwände haben sollte. Erstens verfassen Erdmöbel schon seit 2007 jedes Jahr ein Weihnachtslied und verschenken es an ihre Fans – das Album, das neben den sieben bisherigen Jahresend-Liedern drei neue Stücke und drei Winter-Versionen anderer Erdmöbel-Songs enthält, ist also keineswegs ein Versuch, im Advent noch eine schnelle Mark zu machen. Zweitens sind die Lieder schlicht wunderbar.
Weihnachten ist mystisch und magisch, es ist die Zeit, in der Dinge möglich erscheinen, die man im Rest des Jahres nicht zu hoffen gewagt hätte. Das ist ein perfekter Rahmen für Erdmöbel, vor allem für die Texte von Sänger Markus Berges. Auch auf Geschenk schafft er es, Wörter in Popsongs zu packen, die man für unsingbar gehalten hatte (Räumfahrzeug, Kaugummiautomat, Luftkurort) und schillernde Bilder zu zeichnen, die mit Lametta und Kerzenschein erst recht zauberhaft aussehen.
Goldener Stern ist gleich zum Auftakt ein perfekter Beweis für den Ideenreichtum von Erdmöbel, sowohl textlich als auch musikalisch (inklusive Kinderchor). Ding Ding Dong hat ebenfalls Hitpotenzial, ist so gewitzt und schmissig, dass man an Belle & Sebastian denken muss. Am Schluss gibt es die mit neuem Text versehene Version von Last Christmas, die einst den Auftakt für die Jahresendlieder von Erdmöbel gebildet hatte. Den prototypischen modernen Weihnachtssong mit der Zeile „Weihnachten ist mir doch egal“ zu beginnen, ist immer noch amüsant – zudem zeigt das Stück, dass auch die Eigenkompositionen der Kölner in punkto Melodien und Wohlklang mit derart meisterhaftem Pop mithalten können.
Zugleich schafft es das Quartett, das Fest nicht nur mit Besinnlichkeit zu assoziieren, sondern vielfältig zu betrachten. In Weihnachten in Tamariu darf sich die verführerische Stimme von Jemma Endersby einschleichen, Rakete zwischen den Jahren ist im Prinzip ein Reggae (!), Ich wollte, die Welt ginge immer bergab ist gespenstisch und Lametta (mit Maren Eggert) ist so abgefahren, dass man es für gefährlich halten würde, wäre es nicht im Advents-Mäntelchen verhüllt.
Zu den weiteren Höhepunkten gehört Russisch Brot, das süß und putzig wie die ersten selbstgebackenen Plätzchen wird, und Muss der heil’ge Nikolaus sein, eine wilde Sause mit urigem Akkordeon, dessen anarchische Ausgelassenheit nicht nur von Glühwein getrieben ist, sondern von beinahe kindlichem Übermut – auch das passt toll zu Weihnachten.
Wie viel Liebe in dieser Platte steckt, beweisen auch die Verpackung (Geschenk gibt es in vier unterschiedlichen Pappschubern im Geschenkpapier-Look) und die Tatsache, dass Erdmöbel die Platte mit einer ausgiebigen Weihnachtstour (unter anderem mit zwei Heimspielen in der Kölner Kulturkirche) feiern. Na dann: Frohes Fest!