Künstler | Franz Ferdinand | |
Album | Right Thoughts, Right Words, Right Action | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Die wichtigste Band der Nullerjahre? Man kann mit guten Argumenten die Strokes anführen als die Retter des Rock oder Arcade Fire für die Wiederbelebung von Opulenz und religiösem Ernst oder sogar Zoot Woman als Paradebeispiel für die Zusammenführung von Electro-Sound, Pop-Denken und Indie-Attitüde, die durchaus stilbildend war.
Die einzig richtige Antwort auf die Frage nach der besten Band des vergangenen Jahrzehnts lautet aber: Franz Ferdinand. Sie haben es nicht nur geschafft, Gitarren und Tanzflächen sowie nerdige Fanzine-Jungs und schicke kluge Mädchen wieder zusammen zu führen und damit den Weg für Bands wie Bloc Party, Maximo Park oder die Arctic Monkeys gebahnt. Die vier Schotten haben auch von Anfang an verstanden und bewiesen, wie wichtig es ist, eine optische Entsprechung für ihre Musik mitzuliefern. Auch wenn das zu Beginn vielleicht nur etwas zu enge Hosen und 20 Jahre alte Krawatten waren, ist doch unbestreitbar: Seit der ersten Single im Jahr 2003 waren Franz Ferdinand nicht nur eine Musikkapelle, sondern ein ästhetisches Konzept.
Das gilt auch beim heute erscheinenden Right Thoughts, Right Words, Right Action, dem vierten Album der Glasgower. Die Schrifttypen, die Farben, der Albumtitel – all dies könnte genauso gut einer Kunstausstellung entnommen sein. Und auf dem Foto im Inneren des Albums srahlen Paul Thomson, Alex Kapranos, Nick McCarthy und Bob Hardy natürlich sehr stylish um die Wette, sicherheitshalber aber in Schwarz-Weiß und durchweg mit Sonnenbrillen. Die Herren werden schließlich auch nicht jünger, und die eine oder andere Falte oder graue Strähne lässt sich so blendend verbergen.
Allerdings muss erwähnt sein: Musikalisch lässt sich auf Right Thoughts, Right Words, Right Action keinerlei Alterungsprozess feststellen, erst recht keine Verschleißerscheinungen. Franz Ferdinand klingen in keiner Weise älter, weiser oder ruhiger als bei ihrem Debüt. Mehr noch: Right Thoughts, Right Words, Right Action ist – und das schaffen nur die wenigsten Bands im zehnten Jahr ihres Bestehens, und nur die wenigsten Künstler um die 40 – eine Platte, mit der man diese Band neu entdecken kann, die genug Frische und Kraft hat, um erst jetzt zum begeisterten Fan zu werden. „We are fresh strawberries“, behaupten sie kühn im zuckersüßen Fresh Strawberries, in dem übrigens Roxanne Clifford (Veronica Falls) mitsingt. Es gibt nichts auf dieser Platte, was diesen Satz widerlegen könnte.
Am Beginn steht in Right Action eine Gitarre, die direkt aus den Tarantino-Seventies kommt. „Come home“, lauten die ersten Worte des Albums, und sofort ist man wieder aufgehoben in diesem unwiderstehlichen Franz-Ferdinand-Sound, der später noch um Chorgesang und kuriose Synthies (die wir wohl den Jungs von Hot Chip zu verdanken haben, die den Track produziert haben) angereichert wird. Evil Eye deutet danach kurz das Riff von Need You Tonight (INXS) an und wird dann so vertrackt und wuchtig, wie es die Arctic Monkeys waren, bevor sie von Josh Homme versaut wurden. Dann kommt das beste Lied des Albums: Love Illumination basiert auf nichts weniger als einem Hardrock-Riff (noch deutlicher wird das auf der Bonus-CD mit Liveaufnahmen, die es in der Limited Edition zusätzlich zum Album gibt), dazu kommen die Coolness von Roxy Music, Bläser, ein tolles Orgelsolo und einer dieser Refrains, von denen man einfach nicht genug bekommen kann.
Spätestens in diesem Moment ist klar, dass Franz Ferdinand schon wieder ein tolles Album gemacht haben. Das Debüt war makellos, die beiden Nachfolger zündeten weniger unmittelbar (einige Kritiker sprechen deshalb jetzt tatsächlich und vollkommen lächerlicherweise von einem „Comeback“ von Franz Ferdinand), bewiesen aber ihre Stärke im Laufe der Zeit. Legt man heute beispielsweise Tonight auf, den wird viel mehr deutlich, was für eine formidable Platte voller Hits das ist, als es beim Erscheinen 2009 offensichtlich war. Franz Ferdinand waren in ihren bisherigen Karriere schlicht und ergreifend unfehlbar, und sie bleiben es auch mit ihrem vierten Album, das in Kapranos’ Studio in Schottland, McCarthys Sausage Studios in London, im Club Ralph und zu Besuch bei befreundeten Musikern in Stockholm und Oslo aufgenommen wurde.
Stand On The Horizon beginnt als verträumte John-Lennon-Ballade und entwickelt sich dann zu einem Discofeger mit Streichern aus dem Hause Owen Pallett. Bullet ist ein Hit mit viel Punch, Sex und Groove, und genau der richtigen Menge an Verschmitztheit und Wahnsinn. Björn Yttling (Peter, Björn & John) hat das vergleichsweise hintergründige Treason! Animals. produziert, das wie für eine Disco in der Area 51 gemacht scheint und zudem mit einem äußerst cleverem Text glänzt. The Universe Expanded wird dann die Sonnenuntergangsballade, die Stand On The Horizon nur angedeutet hatte zu sein, ebenso überraschend ist die Erkenntnis, dass Brief Encounters im Prinzip ein Reggae ist, wenn auch eher in der Nähe von The Clash als von Bob Marley.
Am Schluss steht, erneut von Hot Chip produziert, Goodbye Lovers And Friends. „I hate pop music“, singt Alex Kapranos darin, und in der Tat pfeift das Lied auf alle Pop-Konventionen oder gar eine Hitformel und wird stattdessen abstrakt, kunstvoll und höchst spannend. Kapranos singt darin noch ein paar mehr Zeilen, die aufhorchen lassen: „Goodbye lovers and friends / you can laugh as if we’re still together / but this really is the end“, lauten die letzten Sätze des Albums, und man kann das leicht als Abschiedsgruß verstehen, als Signal für das womöglich bevorstehende Ende dieser Band, als Fanal für Franz Ferdinand (auch an die erwähnte Zeile mit den Erdbeeren wird später noch ein „we will soon be rotten / we will soon be forgotten“ angefügt). Wäre diese Interpretation zutreffend, müsste man schockiert sein. Denn Right Thoughts, Right Words, Right Action macht eindrucksvoll deutlich, wie verdammt schade es um diese großartige Band wäre.
Hardrock, baby! Franz Ferdinand spielen Love Illumination live:
httpv://www.youtube.com/watch?v=2y8aCu1Q1hM