Künstler | Free Throw | |
Album | Bear Your Mind | |
Label | Triple Crown | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Nur ein paar Töne auf der akustischen Gitarre sind zu Beginn dieser Platte in Open Window zu hören, dazu eine sanfte Stimme, die uns mitteilt: „At the age of ten / my father showed me / what men are truly made of / and that’s what I’m afraid of.“ Schnell ist klar: Der Song, der Bear Your Mind einläutet, das zweite Album von Free Throw aus Nashville, handelt von nichts weniger als allem, was Sänger Cory Castro bisher über das Leben gelernt hat (und das ist nicht wenig) und dann, als nach zwei Minuten mit ordentlichem Wumms der Rest der Band einsetzt, auch von allem, was er über das Leben noch zu lernen müssen glaubt, um vielleicht eines Tages das Glück finden zu können.
Es ist dieser (auch für Emo-Verhältnisse) besonders persönliche Zugang, der das Quintett ausmacht, gepaart mit einer lobenswerten DIY-Mentalität. Im Booklet der übermorgen erscheinenden Platte danken sie passend dazu „everyone who has supported us, let us sleep on their floor, bought us a drink or believed in this band“. Ihre Fan-Basis haben sich Cory Castro, Jake Hughes (Gitarre, Gesang), Lawrence Warner (Gitarre), Justin Castro (Bass) und Kevin Garcia (Schlagzeug) vor allem live erspielt, etwa während gemeinsamer Tourneen mit Sorotity Noise, You Blew It! und Tiny Moving Parts, zu denen es auch stilistisch eine große Nähe gibt.
Unter der Regie von Produzent Brett Romnes haben Free Throw ein Album mit einem fast perfekten Spannungsbogen gemacht. Zu den wildesten Momenten gehört Dead Reckoning, das so reizvoll ist, weil Leid da in echte Wut umschlägt. Auch Randy, I Am The Liquor gehört in die eher krachige Kategorie, es zwingt sich im Text und Sound erfolgreich zu Optimismus und vermittelt einen Eindruck davon, wie Blink 182 ohne Bubblegum hätten klingen können. Das ebenso kraftvolle Rinse. Repeat. erzählt vom Wunsch, aus der Routine auszubrechen, und sei es nur in die Erinnerung an frühere Jahre. Für die Beschreibung eines Albtraums oder einer Angststörung klingt Weight On My Chest erstaunlich positiv, nicht nur wegen des am Ende hartnäckig beteuerten „I am free“.
Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich Songs wie Better Have Burn Heal, der beste Track auf Bear Your Mind. Das Stück ist etwas langsamer und melodiöser als der Standard bei Free Throw, am Ende sogar hymnisch. Trotzdem gibt es nicht ein Jota weniger Entschlossenheit als auf dem Rest des Albums. Victory Road beschließt die Platte, und dass ihnen so eine Ballade, die dann doch nichts anderes ist als ein Liebeslied, sehr gut stehen würde, hat man schon das ganze Album über geahnt. Hope Spot erweist sich als Ballade mit 80 Prozent Selbstkasteiung, 15 Prozent Reue und 5 Prozent „Ich habe meine Lektion gelernt.“ Erfreulicherweise ist das spannend genug, um dabei 0 Prozent Selbstmitleid zuzulassen, auch dank einer putzigen Melodie, die an Weezer denken lässt.
Der Ansatz, nicht zu jammern, sondern nach Positivem zu suchen, und vor allem auch die eigene Rolle beim Blick auf die Welt ernst zu nehmen, ist prägend für Free Throw. Cal Ripken Jr Johnson ist ein Song, der das gut illustriert, denn er handelt von der Schwierigkeit, emotional intakt durchs Leben zu kommen, auch wenn man weiß, dass man von wohlmeinenden Menschen umgeben ist. Weak Tables greift ebenfalls diesen Kontrast zwischen außen und innen auf, wird erzählt aus der Perspektive eines vermeintlich überall beliebten und umtriebigen jungen Menschen, dessen Gefühlswelt allerdings ganz anders aussieht. „Man würde das nie glauben, aber ich bin verzweifelt, zerrissen, einsam“, heißt die Botschaft, und der Gesang wechselt passend dazu zwischen sensibel und brachial. Das erweist sich als die größte Stärke von Free Throw: Ihre Musik passt zuhause unter der Bettdecke genauso gut wie im Moshpit – und nicht selten wechseln sie zwischen diesen Extremen sogar innerhalb eines Songs.