Künstler | Fritz Kalkbrenner | |
Album | Grand Depart | |
Label | Suol | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Hat Fritz Kalkbrenner etwa den Glauben an Techno verloren? Nimmt man die Eckdaten für sein am Freitag erscheinendes viertes Album als Maßstab, deutet einiges darauf hin. Grand Depart ist ein Album-Album, mit sehr stimmigem Sounddesign und fein austarierter Dramaturgie. Die ungewöhnlich lange Spielzeit von fast 79 Minuten entspricht ebenso wenig den Genre-Konventionen wie die Tatsache, dass Orgel, Flügelhorn und Cello wichtige Instrumente auf dieser Platte sind, es gibt sogar Streicher und Gospelchöre. Und dann sagt Fritz Kalkbrenner auch noch, dass er praktisch keinerlei aktuelle Clubmusik mehr hört, „und wenn, dann unter akademischen Gesichtspunkten – was vielleicht auch mit dem zunehmenden Wegwerfcharakter dieser Musik zu tun hat. Seien wir ehrlich: Die Wahl zwischen Knüppel-EDM und Gitarren-House kann es nicht sein.“
Diese Mentalität bestätigt auch der Sound von Grand Depart, und zwar schon in den ersten Sekunden. Mit Don’t You Say beginnt die Platte maximal dezent: Man kann dazu tanzen, aber um in Ekstase zu geraten, brauchte es schon sehr besondere Drogen. Auch danach beweist der Berliner, wie sehr er sich seit seinen Techno-Anfängen und auch für dieses Album erneut weiterentwickelt hat. Oft verweist nur noch die Bass Drum auf den Club aus ursprünglicher Nährboden dieser Musik. Rouleur ist ein gutes Beispiel für den warmen und analogen Sound von Grand Depart, beinahe zeitlos klingt Inside, kurz zuvor illustriert Cerulean den hier häufig zu beobachtenden Einsatz gekonnt verschachtelter Beats und A Good Day ist gegen Ende des Albums eher Jazz im Sinne von DJ Shadow als irgendwo in der Nähe der Festivalkracher, die der ältere Kalkbrenner-Bruder produziert.
Erneut wurde der Anteil der Stücke mit Gesang gesteigert, und wie gut die Stimme von Fritz Kalkbrenner zu diesem Sound passt, zeigen Tracks wie In This Game. Das ist längst nicht nur ein Gewöhnungseffekt seit Hits wie Back Home, sondern eine Entsprechung des Ansatzes hinter dieser Musik: Sie beeindruckt nicht durch Wumms, sondern durch subtile Eleganz. In Again treffen hyperaktive Percussions auf die große Gelassenheit des Gesangs. „Meine Musik war nie die schwierigste, komplizierteste und unverständlichste. Ich mache keine Musik, die sich Menschen absichtlich verschließt“, sagt der 35-Jährige, und sein Gesang, der hier noch öfter zu hören ist als auf den vorangegangenen Alben, ist ein wichtiges Element für diese Zugänglichkeit.
Natürlich hat er auch das Talent für Tanzbares nicht verloren. In Center To Center ist der Beat vergleichsweise satt, auch etwas, das womöglich aus verfremdeten Blasinstrumenten besteht, sorgt für mehr Ausgelassenheit. Rain Parade besteht größtenteils aus nervösem Gewimmel, im Hinblick auf den Albumtitel (die Grand Depart ist der Start zur ersten Etappe bei der Tour de France) ist das dann wohl der Massensprint. In It Takes A Fool erklingt trotz des Titels ein sehr cooler und sehr intelligenter Beat. Auch Hearts & Hands erhöht das Tempo und unterstreicht gerade dadurch: Das ist keine Gebrauchsmusik, sondern Ausdruck eines Künstlers mit Horizont, Ambitionen und Persönlichkeit.