„Für Hilde“

Künstler Diverse

Für Hilde Tribute-Album Kritik Rezension
20 deutsche Künstler interpretieren auf „Für Hilde“ die Songs von Hildegard Knef.
Album Für Hilde
Label Four Music
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

So richtig war Hildegard Knef nie weg, auch nicht in der Zeit, als sie schon längst nicht mehr Die Sünderin am Broadway (so der Name eines Romans von Lucas Lewalter, der ihre Lebensgeschichte nacherzählt) oder The Woman Between (so der Titel einer filmwissenschaftlichen Betrachtung über sie aus der Feder von Ulrich Bach) war. Als Grand Dame blieb sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 in der deutschen Musikwelt präsent.

Das war Extrabreits Coverversion von Für mich soll’s rote Rosen regnen, die 1992 zum Hit wurde. Da war die Zusammenarbeit mit Till Brönner, der 1999 ihr letztes Album 17 Millimeter produzierte. Im selben Jahr erschien Die Stadt die es nicht gibt von den Fantastischen Vier mit einem ausgiebigen Hilfegard-Knef-Sample.

Warum es also ausgerechnet jetzt ein Tribute-Album für „der Welt größte Sängerin ohne Stimme“ (Ella Fitzgerald) geben muss, auf dem zudem eine neue Version des besagten Fanta-4-Songs vertreten ist, erschließt sich nicht so ganz. Offizieller Anlass ist der 90. Geburtstag, den Hildegard Knef heute gefeiert hätte. Man hätte aber ruhig auch noch zehn Jahre mit dieser Huldigung warten können.

Einige der schlimmsten Fehlgriffe dieser sehr durchwachsenen Platte wären dann vielleicht vermeidbar gewesen. Der Beitrag von Nisse (Doch drehst du dich um) ist peinlich, Flo Mega liefert eine krude Version von Wieviel Menschen waren glücklich, dass du gelebt? ab. Auch Miezes Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen und das viel zu schlagerhafte Eins und Eins, das macht Zwei von Johannes Oerding sind misslungen. Clueso bringt Ich bin zu müde um schlafen zu gehen zunächst ganz allein mit Klavier, verfällt dann aber in angejazztes Muckertum – und zeigt so wieder einmal, dass er mit der Idee richtig liegt, künftig öfter ohne große Band zu arbeiten. Fast alle Neuinterpretationen floppen, bei denen die Nachgeborenen als Musiker glänzen und mit Virtuosität punkten wollen.

Gut sind die Lieder, die eher im Geiste von Hildegard Knef interpretiert werden als wirklich notengetreu, dazu zählen Mark Forsters angenehmes Halt mich fest, der sehr schöne Chanson Lass mich bei dir sein von Salut Salon oder das originelle Insel meiner Angst, ein virtuelles Duett der Knef mit Dendemann. Lea verleiht So hat alles seinen Sinn eine schöne Leichtigkeit, Samy Deluxe verwebt ein Knef-Sample in Von nun an ging’s bergab sehr gut mit seiner düsteren Stimme und dem noch düstereren Sound. Für mich soll’s rote Rosen regen, mit dem Alina dieses Tribute-Album beschließt, wird dezent aufpoliert, ohne die Vorlage zu ruinieren.

Ein paar echte Überraschungen bietet Für Hilde dann aber auch noch. In Meine Lieder sind anders (der Beitrag von Miss Platinum) wirkt die Knef fast wie eine bisher unbemerkte Vorläuferin von Goldfrapp. Auch Der Mond hatte frei (hier gesungen von Cosma Shiva Hagen) zeigt, wie zeitgemäß ihre Lieder klingen können. Ich hab noch einen Koffer in Berlin im richtigen Maße rotzig, hedonistisch und bodenständig klingen zu lassen, wird für Selig zu einer ihrer leichtesten Übungen. Und Cäthe reichert In dieser Stadt mit Jazz-Elementen, Blaxploitation-Sounds und einem HipHop-Beat an, was ebenfalls bestens funktioniert.

Das beste Lied auf Für Hilde ist eines von den drei Stücken, die bisher unveröffentlichte Texte von Hildegard Knef vertonen: Bela B. und Bonaparte (deren Sänger Tobias Jundt hier eine erstaunliche stimmliche Nähe zur Knef hinbekommt) lassen Wohin ich blicke herrlich absurd, unterhaltsam und eigen werden. Sie steuern damit den Song bei, der am besten die Eigenschaften verkörpert, die der Pressetext als Charakteristika von Hildegard Knef ausgemacht hat: Schnauze, Charme und Sentiment.

Geschmackvoll: Mark Forster singt Hildegard Knefs Halt mich fest.

https://www.youtube.com/watch?v=QmX2qc94zwc

Website des Für Hilde-Projekts.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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