Künstler | G-Eazy | |
Album | The Beautiful & Damned | |
Label | Sony | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Unter einem Konzeptalbum macht es im Post-Kendrick-Lamar-HipHop wohl niemand mehr, der etwas auf sich hält. Auch G-Eazy hat für sein heute erscheinendes Werk gleich 20 Tracks auf zwei Tonträger verteilt, zusätzlich gibt es einen Kurzfilm zu The Beautiful & Damned. Die verbindende Idee des Albums, das nach einem 1922 erschienenen Roman von F. Scott Fitzgerald benannt ist: Dem bürgerlichen Gerald Earl Gillum steht hier sein Bühnen-Ego G-Eazy gegenüber – Ersterer muss die Eskapaden von Letzterem ausbügeln, was zwar nicht ganz zu einer Identitätskrise reicht, aber doch für einige Konflikte sorgt.
Das klingt vielleicht abgehoben, und in der Tat hätte der 28-Jährige nach den Top-5-Platzierungen der Vorgänger These Things Happen (2014) und When It’s Dark Out (2015) sowie Vierfach-Platin für die Single Me Myself & I nicht wenig Anlass für ein wenig Hybris. Das Beste an The Beautiful & Damned ist deshalb seine Besonnenheit, ohne dass die Platte deshalb langweilig wäre.
Schon im Titelsong zum Auftakt singt Zoe Nash den Refrain mit aufdringlicher Vocoderstimme, während G-Eazy in der Strophe erstaunlich gelassen bleibt. Love Is Gone (mit Drew Love) hat einen klasse Beat und ist erfreulich reflektiert, das reduzierte Fly Away (mit Ugochi) erweist sich als ein (durchaus wohlmeinender) Abschiedsgruß an die Ex. Summer In December wird auch dank eines Samples von Chick Corea recht jazzig, No Less (mit SG Lewis und Louis Mattrs) erweist sich selbst als zu defensiv für die Lounge, und hat wohl viel eher das Schlafzimmer als natürlichen Lebensraum.
Selbst, wenn es vermeintlich etwas plakativer wird, überspannt G-Eazy den Bogen nie. Seinen „legendary swag“ preist er in But A Dream, aber auch hier ohne dicke Hose. Mit der Warnung „This is not for the faint of heart“ eröffnet Gotdamn die zweite CD, die allerdings noch etwas zurückhaltender wird als der erste Teil. Legend ist eine trotz des Titels maßvolle Selbstbeweihräucherung, in der G-Eazy auf ziemlich einzigartige Weise „Testarossa“ auf „Bitch came over“ reimt. Ohnehin kann er ohne allzu viel Bombast im Hintergrund besser zeigen, was er als Rapper zu bieten hat, etwa in The Plan oder dem sehr kurzweiligen No Limit mit A$AP Rocky und Cardi B.
Dass G-Eazy seine Laufbahn nicht als Performer, sondern als Produzent angefangen hat, merkt man The Beautiful & Damned ebenfalls auf erfreuliche Weise an, nämlich durch einen vergleichsweise großen musikalischen Horizont. That’s A Lot ist ein Beispiel für einen von vielen Songs mit einem sehr guten Backing Track, den man im Intro sogar für ein Sample von Tschaikowsky halten könnte. Charles Brown (feat. E 40 und Jay Ant) zeigt, wie The Weeknd klingen könnte, sollte er mal eine Idee jenseits von „Ich mache Beats mit Gesäusel“ haben. In Leviathan hat das Klavier eine prominente Rolle, der Track knüpft damit an Traditionslinien an, die bis zum Blues reichen. Pick Me Up (mit Anna Of The North) hat einen feinen Refrain, der durch die Stimmeffekte tatsächlich noch etwas besser wird.
Das eingangs erwähnte Konzept von The Beautiful & Damned findet sich zwar nur bei sehr genauem Hinsehen, hat aber immerhin ein paar Spuren hinterlassen, etwa in Pray For Me mit etwas Mystik, noch etwas mehr Theatralik und einem Namecheck für Patrick Swayze, oder in der Kurzbiographie Eazy (inklusive Sample von Son Lux), die dem programmatischen Anspruch des Tracks durchaus gerecht wird. In Sober (mit Charlie Puth) blickt G-Eazy auf die Reue, die noch keine Rolle spielt, solange der Rausch anhält. Auch Him & I passt in diese Reihe, es hält gut die Spannung, unter anderem durch den gut dosierten Einsatz einer elektrischen Gitarre. Als Gast ist Halsey im Einsatz – gerüchteweise war als Duettpartnerin ursprünglich Lana Del Rey vorgesehen, doch die angebliche Affäre löste sich ebenso in Luft auf wie die musikalische Kooperation.
Echte Kracher sucht man, das ist wohl ebenfalls eine Folge des Ying-Yang-Ansatzes, vergeblich. Am nächsten ran kommt Crash & Burn, das einnehmend, aber nicht anbiedernd wird und mit Kehlani den Gaststar zu bieten hat, der von allen auf diesem Album am hellsten strahlt. Auch das eingängige Mama Always Told Me (mit Madison Love) kann man sich dank seines Strandparty-Flairs gut im Radio vorstellen. Die größere Leistung als drei, vier herausragende Tracks ist allerdings, dass G-Eazy sich auf The Beautiful & Damned keinen einzigen Ausfall leistet. Ihm scheint hier tatsächlich die Musik wichtiger zu sein als das Hitpotenzial. Vom Crack-Up, so der Titel eines anderen (posthum veröffentlichten) Buchs von F. Scott Fitzgerald, ist Gerald Earl Gillum in dieser Form ganz sicher noch ein gutes Stück entfernt.