Künstler | Diverse | |
Album | George Fest. A Night To Celebrate The Music Of George Harrison | |
Label | BMG | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Im November 2002, am ersten Todestag von George Harrison, fand in der Londoner Royal Albert Hall das Concert For George statt. Stars wie Tom Petty, Jeff Lynne und die Mitglieder von Monty Python standen damals auf der Bühne, auch Paul McCartney und Ringo Starr waren dabei, als musikalischer Leiter fungierte Eric Clapton.
Dhani Harrison, der 1978 geborene Sohn des Ex-Beatles, wirkte damals ebenfalls mit und hatte schon wenig später die Idee für eine Neuauflage des Tribut-Konzerts in den USA. „Ich habe mir immer ein kleines Clubkonzert mit Künstlern aus meiner Generation vorgestellt, die zu den bedeutendsten Tracks seiner Karriere jammen“, sagt er. Am 28. September 2014 war es in Los Angeles schließlich so weit: Im Fonda Theatre (eigentlich sollte die Show im kleineren El Rey Theatre stattfinden, wurde wegen der großen Nachfrage dann aber kurzfristig hochgebucht) stieg das George Fest. A Night To Celebrate The Music Of George Harrison. Jetzt gibt es das Konzert mit 27 Liedern auf Doppel-CD/DVD, Blu Ray und Vinyl+Download.
„Ich ging wieder einmal auf die Bühne, mit einem ganz neuen, freudigen Gefühl, unterstützt von einigen meiner am meisten geschätzten Kollegen und feierte den Sound der Musik, die mir schon immer am vertrautesten war. Ich hoffe, die Zuschauer genießen diese Songs genauso, wie ich es tue. Diese Interpretationen der Lieder meines Vaters sind die besten, die ich mir je hätte vorstellen können“, schwärmt Dhani Harrison, und in der Tat merkt man vor allem an kleinen Details schnell, wie viel Liebe der Beteiligten in diesem Konzert steckt: die Basstrommel ist handbemalt, davor sind ein paar Gartenzwerge als Deko platziert, die Band des Abends hat sich einen eigenen Namen verpasst und die Musiker sind auf dem Weg von der Bühne oft noch in kleinen Gesprächen oder bei kurzen Umarmungen zu sehen. Auch der heilige Eifer von Dhani Harrison gehört dazu, wenn er etwa für Ballad Of Sir Frankie Crisp (Let It Roll) mit Jonathan Bates auf der Bühne steht und später noch ein etwas ungelenkes Savoy Truffle singt.
Auch in puncto Prominenz steht des Tribut-Konzert in Los Angeles dem Londoner Vorbild keineswegs nach. My Sweet Lord wird tatsächlich von zwei leibhaftigen Beach Boys intoniert (Brian Wilson und Al Jardine), selbst die 13 Leute, die dazu den Hintergrundchor beisteuern, haben zusammen mehr als 60 Millionen Alben verkauft. Statt ihre Egos zu präsentieren, wirken sie in dieser Performance aber alle wie beseelt und fügen sich so sehr schön in die Stimmung des Abends ein.
Zu den bekanntesten Namen auf der Bühne gehört Talkmaster Conan O’Brien, der mit Old Brown Shoe den Auftakt macht. Er ist als Nicht-Musiker sichtlich aufgeregt, beinahe verkrampft und auch kein begnadeter Sänger, aber als Anheizer funktioniert er gut. Mit der Schlachtruf „All hail George Harrison!“ verlässt er die Bühne und gibt das Motto für den weiteren Abend vor. Der hat durchaus noch weitere Superstars zu bieten: Norah Jones singt Something wunderbar feinfühlig, sieht dabei aus, als müsse sie wirklich gleich in Tränen ausbrechen, und zeigt so noch einmal, was das für ein umwerfender Song ist. Später hat sie mit Behind That Locked Door noch einen ähnlich stimmungsvollen Auftritt. Brandon Flowers, Frontmann der Killers, ist in Got My Mind Set On You hörbar mit Spaß bei der Sache. Strokes-Gitarrist Nick Valensi wird bei Wah-Wah allerdings von Matt Sorum (Guns’N’Roses) am Schlagzeug in den Schatten gestellt.
Für die künstlerischen Höhepunkte des George Fest sorgen die etwas weniger prominenten Namen. Britt Daniel, Sänger von Spoon, interpretiert I Me Mine lebendig, mit Ecken und Kanten und gutem Groove. Chase Cohl lässt sich in For You Blue von Brian Bell (Weezer) an der Gitarre begleiten, der Song bekommt einen wundervollen Swing. Die Cold War Kids performen ein feuriges Taxman, die Flaming Lips zeigen, wie aktuell It’s All Too Much klingen kann. Die Jungs vom Black Rebel Motorcycle Club machen Art of Dying ihrem Sound so sehr zueigen, als wäre es aus ihrer Feder und niemals von irgendjemand anders interpretiert worden. „Weird Al“ Yankovic interpretiert What Is Life musikalisch erstaunlich seriös. Natürlich macht es trotzdem großen Spaß, ihn dabei zu sehen – auch wenn klar ist, dass es niemandem im Raum so viel Spaß macht wie ihm selbst.
Das George Fest liefert freilich auch ein paar Enttäuschungen. Be Here Now, vorgetragen von Ian Astbury (The Cult), wirkt auf der CD noch beinahe wie ein Schlager, mit den Bildern der DVD dazu gewinnt es immerhin durch die Intensität, die er hineinlegt und durch die Tatsache, dass man nicht wissen kann, wie viel davon echt und wie viel gespielt ist. Ben Harpers Give Me Love (Give Me Peace On Earth) wird ein wenig zu seicht. Bei solch einem All-Star-Aufkommen auf der Bühne und einem so wundervollen Song wie Here Comes The Sun hätte man sich ebenfalls mehr versprochen. Perry Farrell (Jane’s Addiction) ist auch eindeutig nicht der passende Sänger für dieses Stück – und muss offensichtlich sogar in einigen Momenten den Text vom Teleprompter ablesen. Dieses Missgeschick passiert auch Butch Walker in Any Road, das sehr schlecht gesungen ist und noch schlimmer wird, wenn man sein Gehabe dabei sieht: Bei keinem anderen Künstler im Programm besteht zwischen Eigenliebe und Kompetenz eine so große Diskrepanz. Auch bei Let It Down, wieder von Dhani Harrison gespielt, hängt die Spannung durch, stattdessen gibt es Mucker-Overkill, der lustigerweise sehr ähnlich klingt wie die Sachen, die Paul McCartney nach seiner Beatles-Zeit mit den Wings auf die Bühnen der Welt gebracht hat.
Die guten Performances überwiegen allerdings insgesamt deutlich, gut gemeint ist an diesem Abend ohnehin alles. Nicht zuletzt liefert das George Fest auch ein paar interessante Erkenntnisse zum Vermächtnis von George Harrison. „George zeigte anderen Musikern, dass man auch ein spiritueller Rock’N’Roller sein kann. Er verlieh seinen Songs auf subtile Weise ein Gefühl von Spiritualität, was, wie ich denke, nur sehr wenige Leute können. George war darin ein Meister“, sagt Ann Wilson, die Sängerin von Heart, in einem der Backstage-Interviews, die auf der DVD zu sehen sind. Wie richtig sie mit dieser Einschätzung liegt und wie groß diese Pionierleistung war, zeigt auch das Konzert in Los Angeles: Viele der Künstler singen mit geschlossenen Augen, weil die Songs offensichtlich dieses Eintauchen ins eigene Selbst erfordern. Statt Macho-Gehabe sind auf der Bühne im Fonda Theatre zudem erfreulich viele Frauen zu sehen, was die These nicht ganz abwegig macht, George Harrison sei der feminine Beatle gewesen.
Den Höhepunkt gibt es, wie sich das gehört, zum Schluss: Bei Handle With Care haben die 21 (!) Leute auf der Bühne, darunter Brandon Flowers, Dhani Harrison, Jonathan Bates, „Weird Al“ Yankovic, Lisa Loeb, Norah Jones, Britt Daniel und Wayne Coyne, einen Riesenspaß, für den stilsicheren Rausschmeißer All Things Must Pass kommen noch einmal zehn Musiker dazu. Am Ende steht ein Konzerterlebnis, das tatsächlich nicht nur ein paar weniger bekannte Facetten aus der Karriere von George Harrison beleuchtet, sondern auch ein würdevoller und erstaunlich gut gelaunter Tribut an den Ex-Beatle wird.