Künstler | Gloria | |
Album | Gloria | |
Label | Grönland | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Man bemerkt das nicht. Man erkennt ihn nicht. Der Mann, der da singt, ist Klaas Heufer-Umlauf, bisher als Moderator und Entertainer vor allem auf MTV und Pro7 aufgefallen, nicht als Musiker. Seine Stimme ist durchaus bekannt, seit 2005 ist er regelmäßig im Fernsehen präsent, außerdem hat er eine eigene Radiosendung. Jetzt ist er der Sänger bei Gloria. Doch es gibt hier keinen Aha-Effekt, kein Kopfzerbrechen, woher man dieses Timbre, diese Phrasierung oder diesen leicht nordischen Einschlag kennt. Der Sänger Klaas Heufer-Umlauf scheint mit dem TV-Scherzkeks nichts gemein zu haben.
Das ist der große Pluspunkt bei Gloria: Der Verdacht, dass hier bloß Eitelkeiten gestreichelt werden, dass Cross-Marketing versucht wird oder ein nicht ganz ausgelasteter junger Mann sich einen zusätzlichen Weg ins Rampenlicht sucht, ist völlig unbegründet. Das gilt auch für das zweite Gründungsmitglied: Mark Tavassol hat als Gitarrist von Wir sind Helden seine Meriten verdient, doch auch er macht kein Aufhebens um diese Vorgeschichte. Von einer Promi-Supergroup könnten Gloria kaum weiter entfernt sein.
Wenn es um die Entstehungsgeschichte dieses Debütalbums geht, dann überbieten sich Heufer-Umlauf und Tavassol gegenseitig in Understatement. Von einem Hobby ist die Rede, von Privatvergnügen, Spaßprojekt, Zufallsprodukt. „Wir sind unserem Gefühl gefolgt. Und dabei in etwas hineingeraten …“, sagt Klaas Heufer-Umlauf. Und Tavassol, der das Album auch produziert hat, ergänzt: „Heutzutage tut man viele Dinge ja nur, wenn man ein Ziel mit ihnen verfolgt. Mit unserer Musik lief es aber so, wie es eigentlich sein sollte: Wir hatten einfach nur Lust, sie zu machen.“ Und für alle, die es vielleicht noch immer nicht kapiert haben, stellt Heufer-Umlauf noch einmal klar: „Diese Platte hätten wir auch gemacht, wenn Mark Arzt und ich Friseur geblieben wäre.“
Man kann das auch deshalb glauben, weil diese musikalische Partnerschaft (die beiden haben bis auf eine Ausnahme alle Songs auf Gloria gemeinsam geschrieben) schon begann, als zumindest Klaas Heufer-Umlauf noch weit von seiner heutigen Prominenz entfernt war. Nachdem sie sich 2006 bei gemeinsamen MTV-Auftritten kennen gelernt hatten, machten sie seit 2008 gemeinsam Musik – das war lange vor MTV Home, erst recht lange vor Circus Halligalli.
Gloria spiegelt seine Entstehungsgeschichte auch im Sound wider. Vor allem die Texte tragen dazu bei. Es geht um Liebe und Jugend, ganz oft auch um das Nicht-Zusammenfinden. Wovon Heufer-Umlauf da aber genau singt, bleibt meistens unklar. Zu Vage heißt bezeichnenderweise eines der Lieder, „Was soll ich davon halten / Ich weiß es nicht genau“, lautet wenig später eine Liedzeile (in Regen, dem einzigen Song, den nicht Tavassol und Heufer-Umlauf geschrieben haben, sondern einige ihrer Bandmitglieder). Das trägt dazu bei, dass die Stücke einen privaten, fast intimen Charakter bewahren: Hier singt einer für die Eingeweihten, und ob der Rest der Welt das versteht, spielt erst einmal keine Rolle.
Warten heißt das erste Stück des Albums, und nicht nur hinsichtlich des Titels ist es kein klassischer Opener. Besungen wird so etwas wie die personifizierte Mutlosigkeit, die Stimme von Klaas Heufer-Umlauf (80 Prozent Clueso, 15 Prozent Herbert Grönemeyer und 5 Prozent Kim Frank, falls man sich das vorstellen kann) klingt wie betäubt, wie unter Schock.
Das folgende Gute Nacht, bis Morgen erzählt von einem Moment, der ganz alltäglich erscheint, in dem aber vielleicht doch alles auf der Kippe steht. Auch hier lässt die Stimme aufhorchen, denn es fällt zum ersten Mal auf dieser Platte auf, wie gut sie (jenseits jeglichen Promi-Bonusses) zu dieser Musik passt. Auch Die Zeit ist um, das den Abschluss auf Gloria macht, bestätigt diesen Effekt: Sound und Tempo sind zurückgenommen, auch der Gesang ist ganz gelassen, wie man das zum Beispiel von Kettcar kennt, aber trotzdem sind da ein mysteriöses Feuer und eine erstaunliche Unbedingtheit zu spüren, die sich aus genau einem Treibstoff speisen: Authentizität.
Daneben lebt Gloria von vielen netten Details: ein Bläsersolo im rätselhaften Eigenes Berlin, ein a-cappella-Intro und ein Streets Of Philadelphia-Beat in Solange du mich lässt, die schön federnde Souveränität von Heute du. Trotz der Leugnung von allzu großen Ambitionen sind Gloria mindestens zweimal auch einem Hit recht nahe: Das sehr gute Endlich kombinieren ist einer der seltenen Momente mit richtig Schmackes, noch besser wird Wie sehr wir leuchten. Der Text verweist auf eine verschworene Gemeinschaft und eine innige Beziehung, womöglich ist die aber bloß ausgedacht, herbeigewünscht oder gar das Produkt einer Stalker-Fantasie.
All das hat – wenn man sich Klaas Heufer-Umlauf als Pro7-Possenreißer vor Augen führt – eine erstaunliche Ernsthaftigkeit und einen sehr reizvollen Schleier aus Melancholie. Aber die unterstellt man den wirklich guten Clowns ja ohnehin von jeher.
Joko und Judith fehlen übrigens auch im Video zu Warten:
httpv://www.youtube.com/watch?v=uBnqHXiTEOI
Ende des Jahres gibt es Konzerte von Gloria:
07.11.13 Essen, Zeche Carl
08.11.13 Hannover, Musikzentrum
10.11.13 München, Ampere
12.11.13 Stuttgart, Wagenhallen
13.11.13 Leipzig, Werk2
06.12.13 Frankfurt, Zoom
07.12.13 Köln, Gloria
08.12.13 Berlin, Lido