Künstler | Greylag | |
Album | Greylag | |
Label | Dead Oceans | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Greylag ist keineswegs eine mittelschwere Form des Jetlag, es ist auch keine Hautkrankheit, die vor allem die unteren Extremitäten befällt. Es ist der amerikanische Name für die Graugans, biologisch gesprochen: anser anser, aus der Gattung der Feldgänse in der Familie der Entenvögel.
Auf Greylag, das Trio aus Portland, das diesen Namen gleich auch für sein Debütalbum gewählt hat, übt dieser Vogel eine ganz besondere Faszination aus. “It’s a wild goose, from which all domestic geese originate, so it’s the first survivor, and it’s still wild, and doing things its own way – the ‘lag’ part refers to it being the last bird to migrate. It sits back and watches. We love the connotation”, erklären sie ihre Namensgebung. Man kann diese Wahl nur treffend finden: ein wilder Ursprung, ein kultivierter Umgang und eine Abneigung gegen Hektik zeichnen auch die Musik von Andrew Stonestreet (Gesang und Gitarre), Daniel Dixon (Gitarre und Keyboards) und Brady Swan (Schlagzeug) aus.
Das meint keineswegs, dass Greylag phlegmatisch wären. Lieder wie Mama sind eindeutig Country, aber nicht die Sorte für den Schaukelstuhl auf der Veranda, sondern für den Pickup auf dem Weg zur Kneipe. In One Foot loten sie innerhalb eines Songs ganz viele tolle Gitarrenmöglichkeiten aus. Wenn sie folkig bleiben wie in Black Sky, dann klingt das, als sei Led Zeppelin der Strom (aber nicht der Saft) ausgegangen. Der Opener Another zeigt nach sanftem Beginn ebenfalls, dass das Trio auch mit unverstärkten Mitteln (den engagierten Drums werden noch Percussions zur Seite gestellt, dazu kommt feiner Chorgesang) in der Lage ist, ordentlich dramatisch zu werden.
Die Energie von Greylag zeigt sich noch in anderer Weise: Seit ihrem ersten Lebenszeichen, der 2012 veröffentlichten EP The Only Way To Kill, haben sie mehr als 60 Songs in Demoversionen aufgenommen, 9 davon haben sie schließlich in Seattle mit Phil Ek für dieses Album aufgenommen. Die bisherigen Referenzen des Produzenten (The Shins, Band Of Horses, Fleet Foxes) verweisen in Richtung melancholischer Americana mit viel Pop-Appeal, und diesen Sound findet man auch hier.
Manchmal fehlen den Songs noch die letzten paar Prozente, um wirklich umwerfend zu werden, durchweg ist hier allerdings das Potenzial des Trios unverkennbar. Arms Unknown hat eine feine Dramaturgie, bietet Banjo, Beschleunigung und eine faszinierend nervöse Leadgitarre, lässt aber genug Raum für die Fantasie des Hörers. Kicking setzt auf einen rohen Dampfwalzensound, darunter sind aber fein verschachtelte Gitarrenfiguren versteckt.
Neil Young ist ein wichtiger Bezugspunkt, wie vor allem Burn On zeigt, in dem erst die akustische und dann die lärmverliebte Inkarnation des Altmeisters anklingen. Der Rausschmeißer Walk The Night würde Ryan Adams gut zu Gesicht stehen. Und dann gibt es von Greylag mit Yours To Shake noch ein Stück, in dem nicht nur lupenreiner Rock steckt, sondern auch richtig viel Eifer und Vorwärtsdrang. Vielleicht ist das kein Zufall: Anfang der 1920er Jahre gab es noch ein anderes Tier namens Grey Lag, das in den USA damals Furore machte – es war ein Rennpferd.