Künstler | Haley Bonar | |
Album | Last War | |
Label | Memphis Industries | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Man(n) könnte behaupten, Haley Bonar hätte ihre Karriere den Männern zu verdanken. Entdeckt wurde sie als 19-Jährige bei einem Open-Mic-Abend von Alan Sparhawk, dem Sänger von Low. Mit dessen Band ging sie dann umgehend auf Tour, später musizierte sie mit Andrew Bird und mit Justin Vernon von Bon Iver, der auch auf drei Tracks dieser neuen Platte zu hören ist (zweimal mit Gesang, einmal am Schlagzeug). Noch dazu bekommt Dave Grohl ein „Thank You“ im Booklet (in seinem Studio 606 wurde einer der Songs aufgenommen). Und nach mehr als zehn Jahren im Musikgeschäft bekommt die Amerikanerin mit Last War erstmals so etwas wie die Unterstützung einer halbwegs schlagkräftigen Plattenfirma, nämlich von Memphis Industries, gegründet und geleitet von den beiden Brüdern Ollie und Matt Jacob.
Nichts könnte jedoch falscher sein. Nicht nur, dass Haley Bonar auf dem von ihr selbst produzierten Last War vor allerlei weiblichen Vorbildern den Hut zieht (die Bangles und Dum Dum Girls wären da an erster Stelle zu nennen, in Heaven’s Made For Two klingt auch Lana Del Rey kurz an, den akustischen Schlusspunkt Eat For Free könnte man sich gut von einer entrückten PJ Harvey vorstellen). Sie beweist auch eine Klasse und Souveränität, die keinen Zweifel an der Eigenständigkeit ihres Talents lassen.
Sie kann mächtig aufs Gaspedal drücken wie in From A Cage oder reduziert bleiben wie in Bad Reputation – immer ist das selbstbewusst, ohne biestig oder aufdringlich zu sein. „I don’t want no sensitive man”, heißt passend dazu die Ansage im schwungvollen No Sensitive Man. Wenn Haley Bonar kurz entspannt, sogar verhuscht klingt, wie im schon erwähnten Heaven’s Made For Two, packt sie am Ende doch noch eine beängstigende Entschlossenheit in den Gesang. Und wiederholt erweist sie sich als intelligente Geschichtenerzählerin wie in Can’t Believe Our Luck.
NPR hat ihren Songs eine “smart, careful balance, which Bonar achieves through equal doses of mystery and charm”, attestiert und ergänzt: “A bright, subtle storyteller, she displays a mastery of pop-rock craftsmanship that keeps these songs as relentlessly catchy on the surface as they are alluringly complex underneath.”
Der größte Trumpf von Haley Bonar ist dabei die Stimme, die (wie der gesamte Sound von Last War) einen hohen Wiedererkennungswert hat. Wenn im Titelsong erst ein paar Takte lang nur der Bass zu hören ist, dann ein nervöser Beat und eine stachelige E-Gitarre dazu kommen, entsteht ein Klang, als würden lauter Wände auf sie einstürzen. Der Gesang ist stets subtil und doch spannend – Lieder wie Kill The Fun klingen, als würde sie auf einem Drahtseil singen. Und hört man Songs wie das betörende Woke Up In My Future, versteht man sofort, wie Jan Freitag im Zeit-Tonträger-Blog zur Erkenntnis kommen kann: „Wer Haley Bonar nicht verfällt, muss kaltherzig sein.“