Künstler | Holly Johnson | |
Album | Europa | |
Label | Pleasuredome | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
“Relax / don’t do it / when you want to go to it / relax / don’t do it / when you want to come.” Es sind Zeilen, die Popgeschichte gemacht haben. Relax, die Debütsingle von Frankie Goes To Hollywood, erreichte 1984 Platz 1 der Charts in England (und zwar erst, nachdem die BBC das Stück auf den Index gesetzt hatte) und setzte insgesamt etwa zwei Millionen Exemplare ab. Bis heute gibt es in der gesamten Historie der UK-Charts nur sechs Singles, die sich besser verkauft haben. Und bis heute kann jeder halbwegs informierte Pop-Fan diesen Zeilen eine Stimme zuordnen. Die Stimme von Holly Johnson.
Der Ex-Frontman von Frankie Goes To Hollywood veröffentlicht nun mit Europa sein viertes Soloalbum. Besonders produktiv war der mittlerweile 54-Jährige aus Liverpool in seiner Solophase noch nie, die lange Pause seit dem Vorgänger Soulstream (1999) ist allerdings auch der Tatsache geschuldet, dass Johnson zwischendurch vier Jahre lang Malerei am Royal College of Art studiert hat.
Beim Zusammenstellen eines Best-Of-Albums von Frankie Goes To Hollywood im Jahr 2009 näherte er sich der Musik wieder an, die Initialzündung für eine neue Platte wurde dann die Begegnung mit Produzent Mark Ralph (Hot Chip, Franz Ferdinand) vor zwei Jahren. „Ich fuhr abends mit meiner Musik zu Mark und wir arbeiteten die komplette Nacht an dem Album”, schildert Holly Johnson die Entstehungsweise von Europa. Die gemeinsame Arbeit machte ihm nach langer Zeit wieder deutlich, wie viel Freude ihm das Singen bereitet: „Eigentlich bin ich ein archetypischer Miesepeter. Doch die Songs ermutigen dich. Ich singe für mich und zu mir selbst, um mich endlich aus meinem Schneckenhaus zu befreien. Manchmal musst du dir selbst einen Tritt geben.“
Mit der mittlerweile verstorbenen House-Legende Frankie Knuckles (er mixte den Album-Opener Follow Your Heart), Phil Mazanera (Roxy Music) oder Vini Reilly (Durutti Column) gab es ein paar weitere prominente Mitstreiter. Doch, so viel vorweg: Sie alle können Europa nicht retten. Die Platte klingt, als sei sie in dem Keller aufgenommen worden, in dem die ganz ekelhaften Wetten Dass-Requisiten der Jahre 1987-1992 aufbewahrt werden. Sound und Gestus sind gestrig, die pseudo-erbaulichen Texte sind schlicht peinlich („Follow your heart / and life will start“, ist gleich zu Beginn eines der schlimmen Beispiele, später kommt beispielsweise die Frage: „The world, it keeps on turning / so why don’t you join in?“ hinzu).
Das dümmliche In And Out And Love ist die Karikatur eines fröhlichen Liebeslieds. So Much It Hurts und You’re In My Dreams Tonight sind kitischige Balladen, ebenso pompös wie emotionslos. Glorious ist zäh und träge, Hold On Tight kommt nicht einmal in die Nähe einer guten Idee, für ein Lied wie Heaven’s Eyes hätte man selbst David Hasselhoff ausgelacht, und zwar schon 1992.
Ganz am Ende gibt es mit The Sun Will Shine Again zumindest einen Song, der halbwegs erträglich ist, aber ebenfalls vollkommen überflüssig bleibt. Davor muss man etliche Katastrophen überstehen: Der Titelsong ist erschreckend geschmacklos und könnte eine Euro-Krise in ganz neuem Ausmaß auslösen. Dancing With No Fear ist immerhin umweltfreundlich, denn irgendjemand muss die 25 Jahre alten Keyboard-Sounds ja noch ein bisschen benutzen, bis sie endgültig auf dem Müll landen. Und wenn in Lonesome Town die bezeichnenden Sätze „You search for inspiration / it seems it’s not around“ erklingen, dann kann man sich nur wundern, dass diese legendäre Stimme, die einst die Zeilen von Relax in die Welt gebracht hat, sich nicht selbst gegen den Kopf und Körper wehrt, der sie nun zwingt, solch einen Schrott zu singen – und damit ihren eigenen guten Ruf zu ruinieren.
Auch im Video zu In And Out Of Love ist die Kreativität überschaubar.
Holly Johnson gibt es demnächst live in Deutschland:
08.12. Stuttgart LKA Longhorn
09.12. München Tonhalle
11.12. Berlin Astra
13.12. Köln Live Music Hall