Künstler | Hurray For The Riff Raff |
Album | Small Town Heroes |
Label | ATO Records |
Erscheinungsjahr | 2014 |
Bewertung |
Wenn man The New SF Bay Blues hört, das fünfte Stück auf dieser Platte, dann kann man sich kaum vorstellen, dass Alynda Lee Segarra, die 26-jährige Frontfrau von Hurray For The Riff Raff, einmal eine große Vorliebe für Hardcore-Punk hatte. Als sie halb so alt war wie heute, also gerade einmal in den Teenager-Jahren angekommen, fuhr sie aus ihrem Haus in der Bronx regelmäßig in die Lower East Side von New York, um sich dort die Punk Matinees im ABC No Rio anzuschauen. Bikini Kill zählten damals zu ihren Favoriten. Und jetzt macht sie Lieder wie den The New SF Bay Blues, die mit der Zeile „I got the blues from a baby left me back on San Francisco” beginnen und kaum zerbrechlicher sein könnten.
Eine einleuchtende Verbindung für ihre Vergangenheit als Punk-Girlie und ihre Gegenwart als traurige Countrysängerin kann Segarra dann aber doch nachweisen. „Those riot grrrl shows were a place where young girls could just hang out and not have to worry about feeling weird, like they didn’t belong”, erklärt sie ihre Faszination für die Szene der Lower East Side. Und ein ähnliches Umfeld hat sie, nachdem sie als 17-Jährige New York hinter sich gelassen hat und danach quer durch die USA gewandert ist, mittlerweile in New Orleans gefunden. Dort kam sie überhaupt erstmals auf die Idee, dass sie sich auch selbst mithilfe der Musik verwirklichen könnte. “It wasn’t until I got to New Orleans that I realised playing music was even possible for me”, sagt sie.
Die Stadt spielt eine zentrale Rolle auf Small Town Heroes, dem sechsten Album (die ersten beiden davon im Eigenvertrieb) von Hurray For The Riff Raff. Das schmissige End Of The Line wird eine Hymne an ihren neuen Kiez („That neighborhood and particularly the house I lived in there became the nucleus of a singer songwriter scene in New Orleans. End Of The Line is my love song to that whole area and crew of people”, sagt Segarra). Der Titelsong erweist sich als Ode an die Wanderschaft, in der auch das Wissen um die Wonnen der Heimat nicht vergessen ist. „Well, all these places, yeah, all these towns / Now what’s the point in settling down? / ‚Cause we might not be here when next year comes / So you better live it like you’re on the run”, lautet die letzte Strophe, und Segarra singt sie, begleitet nur von ein bisschen Gitarrenpicking, mit einer Autorität, die sich wohl daraus speist, dass sie tatsächlich im Herzen eine Rastlose ist.
Ihre Stimme ist es, die dem oft beinahe prototypischen Country-Sound des Quintetts (Segarra ist hier nicht nur als Sängerin, sondern auch am Waschbrett und Banjo zu hören) das gewisse Etwas verleiht. Das gilt im heiteren Opener Blue Ridge Mountain, im getragenen Crash On The Highway (mit der Zeile “Germany’s been cold to me”), in The Body Electric, das sich wunderbar in eine tolle Dramatik hineinsteigert, oder in No One Else, in dem man förmlich eine Kneipe vor sich sieht, die mit reichlich Bier und Hüten und Flirts gefüllt ist.
Die Songs von Small Town Heroes hat Segarra, die das Album auch produziert hat, mit etlichen Mitstreitern aus New Orleans geschrieben. Auch das trägt zum organischen, warmen Sound von Hurray For The Riff Raff bei: Good Time Blues (An Outlaw’s Lament) bietet schönen Harmoniegesang, I Know It’s Wrong (But That’s Alright) demonstriert eine Trotzigkeit, die man gemeinsam noch viel schöner ausleben kann, und am Ende in Forever Is Just A Day rankt sich eine einsame Geige äußerst einfühlsam um den Gesang.
“The community I found in New Orleans was open and passionate. The young artists were really inspiring to me. Apathy wasn’t a part of that scene”, schwärmt Segarra von ihrem neuen Umfeld. “And then the year after I first visited, Katrina happened, and I went back and saw the pain and hardship that all of the people who lived there had gone through. It made we want to straighten out my life and not wander so much. The city gave had given me an amazing gift with music, and it made me want to settle there and be a part of it and help however I could.”
Vielleicht am deutlichsten wird dieser Ehrgeiz im St. Roch Blues. Das Lied behandelt in einem fast klassischen Soul-Gewand die Kriminalität in diesem Stadtteil. Es romantisiert sie nicht, es findet sich nicht mit ihr ab, es erkennt die Wurzeln von Verbrechen und die Schmerzen, die es anrichtet. Es ist diese Fähigkeit, Geschichte und Aktualität zu verbinden – im Sound, aber auch in den Themen –, die Hurray For The Riff Raff hier so glänzen lassen.
Innig und gemeinsam – dieses Prinzip gilt auch im Video zum St. Roch Blues.
httpv://www.youtube.com/watch?v=GsfNmg9dGpM