I Salute – „Her Confidence“

Künstler I Salute

Her Confidence I Salute Kritik Rezension
Aus Berlin und Leipzig kommt das Duo hinter „Her Confidence“.
Album Her Confidence
Label Four Music
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

Als vor gut 20 Jahren auch die ersten Deutschlehrer das Phänomen namens HipHop mitbekommen haben, gab es in etlichen Klassenzimmern das Landes viele schreckliche Szenen: Das Spiel mit Worten und Rhythmus, die Kunst des Reimens, Poesie als Ausdruck eines jugendlichen Lebensgefühls – all diese Elemente, die sie im Deutschrap erkennen konnten, wollten die Pädagogen aufgreifen, um den Kids endlich auf zeitgemäße Weise die Klassiker der deutschen Lyrik zu vermitteln. Natürlich (und zum Glück) sind sie gescheitert. Aber ein Teil dieser Saat scheint doch aufgegangen zu sein, wie das am Freitag erscheinende Debütalbum von I Salute zeigt. Ein Track wie Godspeed, der den Abschluss von Her Confidence bildet, soll wohl den Eindruck von Heine, Kafka oder Hölderlin als Rapper vermitteln. Der Pressetext zur Platte entblödet sich nicht, auch die Namen „Nietzsche, Kant, Freud und Dali“ heranzuziehen.

Wer nun wegen der englischsprachigen Titel verwirrt ist: I Salute rappen meist auf Deutsch, die Tracks haben aber durchweg englische Titel. Hinter dem Duo stecken Sören Geißenhöner, der aus Sachsen-Anhalt stammt, einst Sänger der Band Empty Guns war und mittlerweile in Berlin lebt, und der Leipziger Sounddesigner und Schlagzeuger Magnus Wichmann. 2014 haben sie ihre erste EP To Nothing But You veröffentlicht, nach einer gemeinsamen Tour mit Leoniden folgt jetzt das Album.

„Mein Unbehagen ist signifikant“, heißt es in King Goodwill, und darin steckt so etwas wie das Credo des Duos. „Ich schreibe aus einem generellen Unbehagen heraus. Das ist philosophisches Meckern, verpackt in Zuckerwatte“, sagt Sören Geißenhöner. Das Ergebnis sind Zeilen wie „Meine Würde in Relation zu deinen Trieben“ (aus besagtem Godspeed), „Dein Wankelmut ist meine Evidenz“ (Boyfriend), „Schwefel ist mir das liebste aller Elemente“ (Peyote) oder „Welchen Reiz hat Toleranz, wenn Systematik euch ein Feind ist?“ (Bearer). Das klingt alles schwer bedeutend und reicht bestimmt aus, um bei bekifften 14-Jährigen als großer Denker zu erscheinen (oder dank des Zitatreichtums dieses Albums irgendeinen Deppen bei Spiegel Online zu beeindrucken). Doch je öfter man Her Confidence hört, desto klarer wird: I Salute vermengen hier Religion, Fabeln, Popkultur und Philosophie – aber selbst für die Maßstäbe eines hochgradig assoziativen Stils ist das bloß halbverdaut, oberflächlich und anstrengend.

Der ebenso überambitionierte Muso ist ein Geistesverwandter, als weitere Einflüsse benennt das Duo etwa Young Fathers, A$AP Rocky oder Indiebands mit Lust auf Avantgarde wie MGMT, auch The Acid kann man wohl hinzufügen. Den Ansatz, innovativen Sound, Indie-Ethos und kluge, poetische Texte zu vereinen, findet man auch bei AB Syndrom, dort allerdings viel besser umgesetzt. Die Musik von I Salute setzt manchmal auf monströse Beats (Praise), etwas, das man früher Breakbeat genannt hätte (20something) oder wechselt zwischen brachial und mellow (Panty). Dazu gibt es mit Third, A King Is King Through His Mother und Run drei instrumentale Skizzen, in denen Magnus Wichmann zeigt, was er kann.

Nicht alle Texte sind Murks, gelegentlich hat man den Eindruck, sie könnten als Gedicht auf Papier deutlich besser funktionieren denn als Lyrics zu Noise-Rap. In ein paar Momenten wird Her Confidence auch richtig gelungen, etwa in Draw mit seiner gekonnten Dramaturgie oder der Single Amanda, die sich Rock-Ästhetik annähert. Den Vorwurf von Schlaumeierei und Pseudo-Philosophie hat Sören Geißenhöner offensichtlich auch schon einmal gehört, denn er entgegnet: „Nur weil ich nicht vor hundert Jahren gelebt hab: Heißt das, dass ich die Welt nicht von außen betrachten kann?“ Natürlich darf er das. Aber heute wie vor 100 Jahren gilt: Man sollte dann etwas Neues, Kluges, Gültiges, Schönes, Bleibendes formulieren, nicht bloß krude Selbstverliebtheit in die Welt posaunen.

Lustiges Zitateraten gibt es auch im Video zu Draw.

Website von I Salute.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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