Irie Révoltés – „Irie Révoltés“

Künstler Irie Révoltés

Cover des Albums Irie Révoltés von Irie Révoltés bei Ferryhouse Productions
Sozial engagiert, musikalisch kurzweilig: Irie Révoltés.
Album 
Irie Révoltés
Label 
Ferryhouse Productions
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Musik, die sich gegen das System auflehnt und die Welt verbessern will – das ist eine Geschichte mit stolzer Tradition. Jim Morrison hat sich auf offener Bühne entblößt und dann in Handschellen packen lassen, um die Verkniffenheit der Polizei vorzuführen. Donita Sparks von L7 lebte 1992 live in der Fernsehshow The Word ebenfalls ihr Bedürfnis aus, sich untenrum frei zu machen, vielleicht einfach um zu zeigen, dass Frauen das auch dürfen. Sinead O’Connor legte sich 1992 mit dem Papst an, die Sex Pistols brachten 1977 die Queen auf die Palme. Das Geld, das MC5 einspielten, finanzierte unter anderem zwei Kommunen und einen guten Teil der White Panther Party gegen Rassismus.

Irie Révoltés wandeln seit nunmehr 15 Jahren in diesen Fußstapfen. Das Bandkollektiv aus Heidelberg, das derzeit neun Mitglieder zählt, engagiert sich etwa gegen Homophobie und Fremdenhass, bei Viva Con Agua oder für behinderte Menschen in Afrika. „Musik und Politik, das sind die beiden Säulen, auf denen Irie Révoltés stehen. Wenn eine Säule wegbrechen würde, dann würde die ganze Band in sich zusammen fallen“, betont Mal Élevé, einer der beiden Frontmänner der Band. Ihr fünftes Studioalbum haben Irie Révoltés nach sich selbst benannt, weil sie der Ansicht sind: Jetzt haben wir uns gefunden, genau das ist unsere Identität.

Die Eckpunkte dafür stehen schon nach drei Songs fest. Ruhe vor dem Sturm vereint Dancehall-Sounds und einen Rap auf Französisch. Stopper wird ein bisschen elektronisch, Jamais entpuppt sich als mitreißender Reggae. Was Irie Révoltés allerdings auch sehr schnell zeigt: Die Botschaft ist hier eindeutig wichtiger als die Kreativität oder Könnerschaft. Die Stimmen sind dünn, Melodien manchmal gar nicht vorhanden, die Texte auch überschaubar poetisch. Der Album-Schlusspunkt Alles anders beispielsweise hat viel Drive, aber wenig Grautöne. Danse ist primitiv und nervig, auch Jetzt ist Schluss leidet unter der Kombination aus gutem Anliegen und plumper Umsetzung. Es ist eines dieser Lieder auf Irie Révoltés, bei denen man sich wünscht, die Band würde lieber Plakate kleben statt Lieder schreiben, um ihre politische Agenda voranzubringen.

Aber um musikalische Virtuosität und Innovation geht es hier auch gar nicht. Stattdessen gibt es Textzeilen wie „Für immer Antifaschist“ und Lieder gegen die „privatisation de tout le monde“. Irie Révoltés ist immer rechtschaffen, äußerst engagiert und enorm kurzweilig und abwechslungsreich. Peur de la liberté wird eingängig und mitreißend, der entspannte Anti-Hektik-Song Zu Schnell setzt einen Antipunkt im Stile von Sebastian Hackel dazu. Décision klingt, als hätte jemand Aisha von Khaled in einen Protestsong verwandelt. Mehr leichtgewichtigen Enthusiasmus als in Jetzt steckt, hat Cro auch nicht zu bieten (und das ist nicht negativ gemeint). „Es geht nicht um Hass und Verbissenheit. Es geht um Freude, Mut und Entschlossenheit. Es geht darum, dass wir gemeinsam etwas verändern wollen“, erklärt Carlito, der zweite Frontmann (und Bruder von Mal Élevé) das Anliegen von Irie Révoltés.

In Squatte spürt man den Aufruhr, den Optimismus und die Wut im Bauch, die hier Programm ist. Das sehr gute À tout prix wäre bestimmt auch im Repertoire von Shaka Ponk sehr willkommen. Und Fäuste hoch ist hörbar live-optimiert (auf über 500 Shows in 25 Ländern haben es die Heidelberger in den vergangenen Jahren gebracht), aber auch auf Platte schon sehr wirkungsvoll. In den besten Momenten ist das ein Frontalangriff auf die Lethargie, nicht nur der Beine, sondern auch des Geistes.

Ohne Verbissenheit kommt auch das Video von Jetzt aus.

Im Oktober sind Irie Révoltés mal wieder auf Tour:

02.10.15 Dresden, Strasse E

08.10.15 Köln, Live Music Hall

09.10.15 CH-Zürich, Volkshaus

10.10.15 LUX-Esch sur Alzette, Kulturfabrik

11.10.15 München, Muffathalle

14.10.15 HH, Grosse Freiheit

15.10.15 Berlin, Columbiahalle

16.10.15 Dormund, FZW

17.10.15 Bremen, Schlachthof

19.10.15 Leipzig, Werk2

20.10.15 Erlangen, E Werk

21.10.15 Frankfurt, Batschkapp

23.10.15 Stuttgart, LKA

24.10.15 Mannheim, Maimarkt

Homepage von Irie Révoltés.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.