J. Roddy Walston & The Business – „Essential Tremors“

Künstler J. Roddy Walston & The Business

Klassischer Rock mit einer Prise Wahnsinn - das ist "Essential Tremors".
Klassischer Rock mit einer Prise Wahnsinn – das ist „Essential Tremors“.
Album Essential Tremors
Label ATO
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Eine zitternde Hand ist keine gute Eigenschaft. Das gilt nicht nur für Scharfschützen, Hirnchirurgen und Billardprofis, sondern auch für Gitarristen. J. Roddy Walston ist Gitarrist (und Sänger und Pianist in der Band, der er den Namen gegeben hat), und er leidet schon lange an einem Tremor, bedingt durch eine Störung des Nervensystems. Er will das aber gar nicht verheimlichen. Er benennt nun sogar das dritte Album von J. Roddy Walston & The Business danach. “I’ve referenced it throughout all our records in some way, but it made sense to be more open about it on this album, which is partly about owning and embracing your weirdness instead of letting it hold you captive because you don’t even want to talk about it.”

Es ist genau diese “Weirdness”, die das 2002 gegründete Quartett ausmacht. Im Prinzip gibt es hier urtypische Rockmusik, in der Led Zeppelin ebenso ihre Spuren hinterlassen haben wie die Rolling Stones, und natürlich eine ganze Armada von Südstaaten-Bands (nach einem Zwischenstopp in Baltimore ist J. Roddy Walston mittlerweile wieder in Virginia zuhause). Auch die Black Keys und die Lumineers, mit denen die Band unlängst auf Tour waren, verkörpern diese Koordinaten. Aber es gibt all dies mit einem Twist, einer Prise Wahnsinn. Und die Ergebnisse sind auf Essential Tremors, soviel vorab, grandios. Die Band steuert sehr gute Songs bei, Co-Produzent Matt Wignall (Delta Spirit, Cold War Kids) sorgt für einen klasse Sound, das alles bei hohem Spaßfaktor.

Die Single Heavy Bells ist (bei Südstaatenrock sind diese Vokabeln erlaubt) knackig und kernig und groovy wie die frühen Kings Of Leon. Am Ende singt Walston „the heavy bells“ außer Rand und Band, als würde eine Welt an ihm zerren. So schwefelfeurig hat man zuletzt Kurt Cobain bei Territorial Pissings gehört.

Marigold ist einer von mehreren großartigen Glamrock-Momenten, mit markerschütternder Bass Drum von Schlagzeuger Steve Colmus und beinahe ironischem Backgroundgesang. In Nobody Knows fabriziert Colmus einen Beat, für den man das olle Wort „geil“ gerne noch mal herauskramen möchte, dazu gibt es einen unwiderstehlichen Refrain und die Gitarre von Billy Gordon, die wie ein fieser Hornissenschwarm klingt. Take It As It Comes ist noch besser, tanzbar, originell und eingängig. „You gotta take it as it comes“, lautet die Botschaft, und dieser Satz könnte auch gut im Wörterbuch stehen, und zwar als die Definition des Wortes “cool”.

Die Musik auf Essential Tremors ist so leidenschaftlich, historisch informiert und selbstbewusst, dass man schnell gewiss sein kann: J. Roddy Walston ist ganz eindeutig einer dieser Menschen, die einfach Sänger in einer Rockband sein müssen, weil für sie nichts anderes infrage kommt, weil die Ordnung der Welt es so verlangt. In Black Light packt er ausnahmsweise seine Kopfstimme aus, das Ergebnis wirkt, als sei Prince der neue Frontmann von ZZ Top. Hard Times klingt wie Tom Petty mit Country im Sinn und einer Träne im Knopfloch, dazu darf Bassist Logan Davis hier am meisten glänzen. Mit Tear Jerk zeigt das Quartett, dass es auch das Prinzip Soul und das große Finale beherrscht.

Auch Boys Can Never Tell und Nobody Knows sind ruhigere Momente, Letzteres erweist sich als eine Klavierballade, die sich zu einem tollen Schmachtfetzen auswächst und bei der jeder Ton an der richtigen Stelle sitzt. Das hat Lenny Kravitz in seinen sentimentalsten Momenten auch nicht besser hingekriegt. Ein Lied wie Same Days wäre retro, wenn nicht so viel Energie in diesem Boogie steckte und so viel von diesem unnachahmlichen Gefühl, dass man sehr gerne Teil wäre dieser Welt von J. Roddy Walston & The Business, weil man mit diesen Jungs sicher sehr viel Spaß haben kann.

Sweat Shock beginnt mit Indianergesang und einer urtümlichen Trommel, geht dann über in einen sehr zackigen Math Rock und einen Refrain, für den Kasabian sicher gerne ihren schönsten Federschmuck rausholen würden. Der Song ist nicht nur der beste Beweis für die angesprochene „Weirdness“, sondern zeigt auch die Doppelbödigkeit vieler der Stücke auf Essential Tremors. “It seems like most bands write for either the animal side of people or for the side that’s more in tune with the spirit or even just the psyche, but we tend to just smash all those things together. It’s like we’re writing religious songs for the animal side”, erklärt Walston dieses Zwitter-Prinzip. “We’ve got songs that feel like party songs but if you look at it closer, it’s something more cerebral. So for the people who want to dig in and connect all the weird crosswires, the song can turn into something else.”

Manchmal will man “grundsolide” zu dieser Musik sagen, weil alles daran so sehr den ewigen Prinzipien von Rock’N’Roll entspricht. Aber das passendere Attribut ist eindeutig: „klassisch“. Denn niemand, der Rockmusik mag, wird diese Platte nicht lieben können.

J. Roddy Walston & The Business lassen die Heavy Bells bei Letterman erklingen.

httpv://www.youtube.com/watch?v=vdn1VVxMbqo

Homepage von J. Roddy Walston & The Business.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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