Hingehört: Janet Jackson – „Unbreakable“

Künstler Janet Jackson

Cover des Albums Unbreakable von Janet Jackson 2015
Das erste Album nach dem Tod ihres Bruders ist „Unbreakable“.
Album Unbreakable
Label Rhythm Nation
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Was erwartet man, sieben Jahre nach der letzten Platte, von einem neuen Janet-Jackson-Album? Gesäusel? Gaststars? Mainstream-R&B? Einen Hinweis im Booklet, wer für die Frisur und das Make-Up der Künstlerin zuständig war? All das ist wohl naheliegend, und all das bekommt man auf Unbreakable.

Es gibt einige Momente innerhalb dieser 17 Tracks, in denen es schwer fällt, eine Daseinsberechtigung für diese Musik zu finden. Schon das erste Lied, zugleich der Titelsong, scheint ein Signal der Belanglosigkeit aussenden zu wollen: Ich will nicht modern, relevant oder ehrgeizig wirken! Später klingt manches auf peinlichste Weise nach Ü-40-Disco (Night), einfach nur wirr (Dammn Baby) oder schlicht einschläfernd (Lessons Learned).

Wie vor 30 Jahren auf ihrem ersten #1-Album Control arbeitet Janet Jackson auf Unbreakable mit den Produzenten und Songwritern Jimmy Jam und Terry Lewis zusammen, doch bahnbrechend wird das Werk nie. Es wird nicht einmal individuell. Was hieran unverkennbar Janet Jackson sein soll, erscheint schleierhaft: Broken Hearts Heal, das mehr als zwei Minuten braucht, bis es endlich interessant wird, ist eins von vielen Beispielen für Fließbandware. Die Single No Sleeep klingt, als habe sich Gaststar J. Cole in einen 20 Jahre alten Track verirrt.

Selbst die Ankündigung, in den Texten verhandle Janet Jackson die gemeinsame Kindheit mit ihrem Bruder, der schließlich noch am Leben war, als ihr letztes Album erschien, lässt sich nur mit ganz viel Fantasie bestätigt finden. Denn die Texte sind derart beliebig und floskelhaft, dass es schmerzt. Der Gipfel in dieser Hinsicht ist Dream Maker/Euphoria: esoterischer Mist, für den der einzig passende Platz die Müllhalde gewesen wäre.

Allerdings muss man auch anerkennen; Wenn man die fünf, sechs schwächsten Tracks von Unbreakable wegdenkt, dann bleibt ein ziemlich beachtliches Werk übrig. Burnitup! (feat. Missy Elliott) beweist als zweiter Song des Albums, dass trotz des lahmen Beginns doch Leben in dieser Platte steckt. Auch Take Me Away hat gehörig Punch und Schwung für eine Dame, die im nächsten Jahr 50 wird und hier ihr neuntes Studioalbum vorlegt. Well Traveled schafft es, auf zurückhaltende Weise, hymnisch zu sein – das hätte man sich gut von den Sugababes vorstellen können. Gon B Alright ist ein Funk-Stomper, wie ihn sich mancher sicher immer noch von Gossip erträumt.

Und dann ist da noch After You Fall, ein Lied, das aus dieser Platte herausragt wie ein Mammutbaum inmitten von Bonsais. Es gibt nur ein paar Klaviertöne und Gesang, und so entsteht ein sehr schönes Lied, sehr ernst und sehr anrührend. Als dann doch noch Streicher und ein Gitarrensolo hinzukommen, bleibt beides dankenswerterweise ebenfalls ganz dezent. Es ist das Lied auf Unbreakable, das mit Abstand am meisten Gefühl, Identität und Talent beweist.

Diese Einzelleistung zeigt, zu welcher Qualität Janet Jackson als Sängerin, aber auch als Gesamtkunstwerk mit einer Biographie vom Kinderstar über Tanzkönigin bis hin zu Nipplegate noch fähig ist. Dass sie solch ein Level auf Unbreakable nur einmal erreicht, liegt in erster Linie an dem Faktor, den man vor allem erwarten darf von einem neuen Janet-Jackson-Album, und den es hier im Übermaß gibt: Professionalität. Von Kindesbeinen an wurde ihr dieser Wert eingebläut, und so gibt es auch hier ordentliche Songs und sehr gutes Handwerk (was leider auch bedeutet: keine Experimente), Abwechslung (was leider auch bedeutet: keine stimmige Dramaturgie) und Value For Money (was leider auch bedeutet: etliche übeflüssige Tracks). Deshalb gibt es aber auch ein Stück zu viel Anonymität und Berechnung für eine wirklich überzeugende Platte. Unbreakable kann man eben auch deshalb sein, weil man extrem biegsam ist.

Janet Jackson findet keinen Schlaf, während sie durchs Video von No Sleeep tänzelt.

Homepage von Janet Jackson.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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