Künstler | Jordan Klassen | |
Album | Javelin | |
Label | Nevado Music | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Wer nach dem ersten Album von Jordan Klassen, Repentance, vor drei Jahren zum Fan des Singer-Songwriters aus Kanada geworden ist, muss auf Javelin, dem heute erscheinenden Nachfolger, wohl einige Schockmomente überstehen. Statt reduzierter Folksongs gibt es beispielsweise die Single Baby Moses, in der man eine kleine Prise HipHop erkennen kann. Oder kurz vor Schluss Light In The Evening, das nichts anderes ist als eine schöne Popballade. Oder St Fraser, das sogar komplett auf Gitarre verzichtet und nicht nur deshalb ungewöhnlich ist. Oder Gargoyles, spannend und geheimnisvoll mit vielen Ghostnotes und geschickt eingesetzten Streichern – so könnte eine Unplugged-Variante von Vampire Weekend klingen.
In Miles besteht der Reiz nicht nur darin, dass eine zweite Stimme da ist, sondern auch darin, dass diese Stimme so markant und ungewöhnlich ist, dass man kaum überrascht wäre, wenn sie von Björk oder Enya stammte. Die Assoziation mit Letzterer ist durchaus gewollt, sagt Klassen: „The record is a nod to the ‘90s New Age music that I grew up with. My mom was really into Enya, and I wanted to explore some of those sounds in a very modern way. I wanted to really embrace ethereality.“
Erst HipHop, jetzt auch noch New Age? Wer da Reißaus nehmen will, kann beruhigt sein: Immer wieder spielt Klassen, der das Album komplett in Eigenregie aufgenommen hat, mit Elektronik oder vertrackten Beats. Dass dies im Kern weiterhin Folksongs sind, kann und will Javelin allerdings gar nicht leugnen. Das betrifft zum einen die Texte. “I felt like I was looking back at past failures—personal failures, failed relationships—and pinning them down with more accuracy and a clearer mind than I had at the time. That’s why I called the album Javelin”, sagt Klassen. Seine eigene Schwermut spielt eine wichtige Rolle in diesen Liedern, auch die Brustkrebs-Diagnose seiner Mutter wird thematisiert. Ein Lied wie Delilah beispielsweise braucht solche Ernsthaftigkeit auch: Es wäre putzig, wenn es nicht so tief gefühlt wäre.
Auch im Sound gibt es noch mehr als genug Elemente, die auch gut auf Repentance gepasst hätten. In No Salesman setzt Klassen auf schickes Picking und eine noch etwas höhere Stimme, das Ergebnis ist so hemmungslos sentimental, dass man zwangsläufig an William Fitzsimmons denken muss. In Smoking Too Long entfaltet das Xylophon, das bei einigen Liedern auf dieser Platte eingesetzt wird, seine größte Wirkung, weil es den Song in der Schwebe hält. Wäre We Got Married mit seinem dominanten Klavier 15 Jahre älter, hätte man vielleicht auf Eskobar als Interpreten getippt.
Glory B., der Opener des Albums, zeigt schließlich die drei Attribute, die Javelin dann doch deutlich mehr prägen als Rhythmus und Experimentierfreude: soft, sensibel, sommerlich.