Hingehört: Júníus Meyvant – „Floating Harmonies“

Künstler Júníus Meyvant

Floating Harmonies Júníus Meyvant Kritik Rezension
Bläser, Streicher und Percussions prägen den Sound von „Floating Harmonies“.
Album Floating Harmonies
Label Record Records
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Ein bisschen ist das wie bei Helge Schneiders Perücke: Wenn der Komiker sein Haarteil abnimmt, sieht die Frisur darunter genauso aus. Unnar Gísli Sigurmundsson (man ahnt: er kommt aus Island) fand seinen Namen wahrscheinlich zu sperrig für eine Plattenkarriere und gab sich deshalb den auch nicht gerade unkomplizierten Künstlernamen Júníus Meyvant.

Geschadet hat es bisher nicht: Seine erste Single Color Decay (2014) wurde ein Radiohit in seiner Heimat, die im vergangenen Jahr folgende EP erhielt sehr wohlwollende Kritiken. Bei den Iceland Music Awards gewann er 2015 die Preise für den besten Song und als bester Newcomer, in diesem Jahr war er immerhin zweimal nominiert. Gerade ist sein Debütalbum Floating Harmonies erschienen, und es erklärt schnell, warum der Spätstarter (Sigurmundsson griff erst jenseits der 20 erstmals zur Gitarre) so gut ankommt: Die Platte bietet eine schöne Kombination aus Handwerk und Innigkeit, Schönheit und Dynamik.

Wie klassischer Folk klingt Floating Harmonies dabei nur selten. Pearl In Sandbox begnügt sich mit Gitarre und Gesang, der Titelsong erweist sich als Pianoballade mit dezentem Computerbeat, Domestic Grace Man möchte man unbedingt allen Freunden von Crosby, Stills, Nash & Young ans Herz legen. Doch Júníus Meyvant gelingt es immer wieder, die Singer-Songwriter-Zutaten mit feinen Details zu bereichern.

Beat Silent Need könnte aus den frühern Siebzigern stammen. Die Percussions übertönen, nicht nur in diesem Song, das Schlagzeug, woraus eine große Leichtigkeit erwächst. So wie Signals könnte HipHop im Chillout-Modus klingen. Das auch hier enthaltene Color Decay ist ein Liebeslied, das man schmalzig finden müsste, wenn es nicht durch die auf dieser Platte immer wieder so effektvoll eingesetzten Bläser (und in diesem Fall besonders durch die Streicher) in so viel Schönheit verpackt wäre.

Floating Harmonies bewegt sich gerne in die Nähe von Soul, sogar von Easy Listening. Hailslide deutet beispielsweise an, wie das Ergebnis wohl geklungen hätte, wenn Charles & Eddie wirklich hätten retro sein wollen. In Gold Laces kann man glauben, jemand habe beschlossen, in Johnny Cashs American Recordings das Fenster aufzumachen und wenigstens ein paar Sonnenstrahlen hereinzulassen.

Dass das Ergebnis nicht seicht wirkt, liegt nicht nur an der wandlungsfähigen Stimme von Júníus Meyvant. Es gelingt ihm auch, eine Dimension hinter der Heiterkeit und Eleganz seiner Songs aufzuzeigen. In Mighty Backbone würde man nicht so weit gehen und von „Edge“ sprechen, aber dies ist als siebtes von zwölf Stücken das erste Lied des Albums, das sich nicht einfach damit begnügt, schön zu sein. Noch klarer wird das in Manos: Der Track ist sehr reduziert zu Beginn, dann Latin-angehaucht und steigert sich schließlich, angeführt von einer Trompete, in eine Trance hinein – da wird dann tatsächlich auch eine eigenständige künstlerische Vision erkennbar.

Júníus Meyvant spielt Signals live.

Im September ist Júníus Meyvant live in Deutschland zu erleben:

2.9. Privatclub, Berlin

4.9. The Sound Of Bronkow Music Festival, Dresden

7.9. Ampere, München

9.9. Nachtspeicher, Hamburg

24.9. Kornern Festival, Köln

Website von Júníus Meyvant.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.