Künstler | K. Flay | |
Album | Life As A Dog | |
Label | Humming Records | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Man möchte fast heulen. Everyone I Know, der erste Track auf diesem Album, ist einer dieser Momente, in denen man erkennt, dass es noch immer funktioniert, unmittelbar und unwiderstehlich, im Jahr 2015 und ein halbes Leben, nachdem man angefangen hat, diese Musiksache viel zu wichtig zu nehmen: eine herbe Frauenstimme, eine Gitarre, die fast nur die tiefen Saiten anschlägt – und man ist gepackt, hin und weg, mit Gänsehaut. Es sind die tolle Stimme von K. Flay ebenso wie der clevere Text und die Eruption, die der Song dann nach knapp zwei Minuten erlebt, die zu diesem Effekt führen. Und vor allem die Tatsache, dass das Lied wie ein Indie-Klassiker beginnt, im Refrain dann beinahe infantilen Pop liefert und schließlich auch noch einen vollkommen schlüssig wirkenden Sprechgesang.
Das sind die Zutaten, die Life As A Dog prägen und auszeichnen. Die Leichtigkeit, mit der Kristine Flaherty (so heißt K. Flay eigentlich) dies gelingt, erstaunt nicht nur, weil es kaum andere Künstler gibt, die das so stilvoll hinbekommen. Sondern auch, weil der Weg zu ihrem Debütalbum nicht ganz frei von Stolpersteinen war.
Gegografisch führte er von Stanford (wo sie Psychologie und Soziologie studierte) über New York und Los Angeles nach Chicago. Auch musikalisch ging es hin und her. Unter anderem mit ein paar EPs und Remixes für die Beastie Boys oder Danny Brown hatte K. Flay auf sich aufmerksam gemacht. Das brachte ihr einen Plattenvertrag bei einem Major-Label ein, doch als ihr unter diesen Vorzeichen partout kein Album gelingen wollte, löste sie den Deal wieder auf und beschloss, ihre Musik in Eigenregie zu veröffentlichen. Das Geld für die Produktion von Life As A Dog hat sie dann per Crowdfunding eingesammelt, innerhalb von sechs Tagen.
Die Studentenzeit im Silicon Valley merkt man K. Flay in doppelter Weise noch an. Zum einen sind die Texte auf Life As A Dog erfreulich gut. Auch als Popstar will die 28-Jährige nicht verbergen, dass sie zwei Abschlüsse einer Elite-Uni im Gepäck hat. Zum anderen ist ihre Musik so modern, so unverkennbar auf Erfolg aus und sich dabei der Tatsache so bewusst, dass sie ein Alleinstellungsmerkmal braucht, um Aufsehen zu erregen, dass man dahinter durchaus so etwas wie eine Start-Up-Mentalität erkennen kann.
Make Me Fade ist sehr cool, ohne dadurch zu einem Klischee zu werden oder sich auf nur eine Dimension festlegen zu lassen. Bad Things vereint einen wirkungsvollen Beat und einen Refrain in Neonfarben. I’m Good strahlt eine große Wärme aus und zeigt zugleich, wie ausgefeilt das Sounddesign auf Life As A Dog ist – als wäre Lauryn Hill in einem Haushalt von Notebook-Tüftlern aufgewachsen.
Nicht selten muss man bei K. Flay an Lorde oder Lykke Li denken, für die Pop-Affinität des Albums sorgt auch die Mitarbeit von Billboard (Robyn, BoB, Britney Spears), Justyn Pilbrow (The Neighbourhood) und Sam Spiegel (Maroon 5, N.A.S.A.). Dass K-Flay keine Berührungsängste mit Charts und Arenen hat, beweisen ihre jüngsten Tourneen mit Snoop Dogg und Icona Pop oder die Tasache, dass Carly Rae Jepsen und Macklemore sich als ihre Fans bekannt haben, aber auch Songs wie Turn It Around, das ein bisschen zu lang ist, aber in seinen ersten drei Minuten extrem unterhaltsam wird, ohne dass es das (musikalische und intellektuelle) Niveau absenken müsste, um diesen Effekt zu erreichen. Auch das großartige Thicker Than Dust passt in diese Reihe, weil es aus dem echten Leben kommt, aber über genau die richtige Dosis Glamour verfügt, die die besten Momente des echten Lebens eben haben.
Diese Authentizität ist K. Flay wichtig. „It felt natural“, sagt sie über ihren Karriere-Neustart. „It felt like this was the sound. I think of this album as a return to where my head was at when I first got signed. It’s still a hip hop record but it’s also an alternative record, a pop record.“ Genau damit bringt sie ihre größte Stärke auf den Punkt. Die Single Can’t Sleep beginnt mit wild verzerrterm Rock-Bass, dann gibt es Elektro, dann einen ebenso wehmütigen wie mitreißenden Refrain und schließlich Rap. Auch in Fever verschmelzen die Genres, als hätte es nie einen Unterschied (und schon gar keine Feindschaft) zwischen ihnen gegeben. Time For You wird so etwas wie die betrübte Zwillingsschwester das ganz ähnlich aufgebauten Everyone I Know. Der Schlusspunkt Get It Right überrascht mit einem Pling-Plong-Klavier, als würde Kate Nash auf Southside-Gangster machen.
Ein weiteres ungewöhnliches Highlight der Platte ist Wishing It Was You. Wenn Lana Del Rey rappen könnte, würde sie vielleicht solche Songs machen. Auch hier findet sich die Perspektive des liebeskranken, verlorenen Fräuleins, aber viel urbaner und musikalisch wagemutiger mit Zeilen wie „Sucking on a bottle of Jim Bean / wishing it was you.“ Genau das strebt K. Flay an: Trübsal anzuerkennen, das Leid vielleicht auch ein bisschen zu genießen, ohne deshalb die Hoffnung zu verlieren. „There’s a hopefulness to the songs, like, ‚I fucked up today, but I can do better tomorrow.'“