Künstler | Kakkmaddafakka | |
Album | KMF | |
Label | Bergen Mafia | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Die Sache mit den irreführenden Bandnamen hat ja Tradition. Die Mitglieder von Girls sind zwei Männer, Ben Folds Five waren stets nur zu dritt und bei Belle And Sebastian gibt es zwar reichlich Schönheit, aber weit und breit niemanden, der Sebastian heißt.
Bei Kakkmaddafakka erfährt man diesen Effekt in Potenz. Der Name der 2004 in Bergen gegründeten Band klingt wie eine norwegische Übersetzung von „Manowarschloch“, aber die Musik ist auch auf ihrem am Freitag erscheinenden dritten Album KMF: tanzbar, eingängig, mit hoher Stimme, guter Laune und einer Gitarre, die vom Konzept der Verzerrung wahrscheinlich noch nie etwas gehört hat.
Wer The Drums mag, den Two Door Cinema Club, Phoenix, French Films oder selbstverständlich auch die ersten beiden Alben der Band, der wird KMF schnell ins Herz schließen können. Dabei hat sich durchaus einiges geändert im Lager von Kakkmaddafakka. Ein neuer Pianist ist jetzt dabei, dafür wurde der durchaus als Markenzeichen geltende “Kakkmaddachoir” abgeschafft. „Die alte Aufstellung und auch der Chor waren ein wichtiger Bestandteil der Band seit ihrer Gründung und werden so auch immer in Erinnerung bleiben. Wir haben uns jedoch nach Veränderung gesehnt und bereuen demnach nichts“, sagt Sänger Axel Vindenes.
Sein Bruder Pål Vindenes erklärt eine weitere Neuerung, nämlich die Abwesenheit von Erlend Øye als Produzent, der die beiden ersten Alben von Kakkmaddafakka noch betreut hatte: „Wir haben sehr viel von ihm gelernt und sein Einfluss war immer irgendwie gegenwärtig. Er glaubte und glaubt immer an die Ehrlichkeit der Musiker, die Songs aus wahren Gefühlen schreiben und das auf eine reale Weise vermitteln. Wir haben ein bisschen mit unserem Sound experimentiert, aber wir folgten dabei trotzdem stets unseren Prinzipien. Es sind immer noch wir, die Songs über Bergen schreiben und sie live aufnehmen. Es ist real!“
Eine weitere wichtige Konstante zeigt KMF vielleicht noch deutlicher als die bisherigen Werke: Kakkmaddafakka sind Fans. Sie sind Fans von Musik, aber sie werden auch in ihren eigenen Liebesliedern zu Fans. In May God fällt Sänger Axel Vindenes wortwörtlich vor der Angebeteten auf die Knie, und spätestens da ist klar: Mindestens so verrückt wie nach der Frau ist er nach dem Anbeten selbst, nach dem Verliebtsein an sich.
Diese wunderbar romantische Idee zieht sich wie ein roter Faden durch KMF. „Fool me again“, lautet in Fool die Aufforderung an die Frau und die Situation, auf die er immer wieder hereinfällt, und die Erkenntnis, die darin steckt, heißt: Es macht nichts, wenn man morgen der Depp ist, solange sich das Heute gut anfühlt. In 30 Days ist er der Liebhaber, der eine Beziehung zerstören will, während sein Nebenbuhler 30 Tage lang nicht da ist. Er liebt es, er liebt sie, das ist moralische Rechtfertigung genug.
„You don’t want to fall in love / black hole deep and no cure“, singt er in No Cure, aber es klingt – erst recht zu federleichten Reggae-Klängen – wie der Schwur eines Süchtigen, wie das „Nie wieder Alkohol“ nach einem schweren Kater, bei dem man insgeheim schon weiß, dass man den Rausch viel zu sehr liebt, um ihm zu widerstehen. In Language diagnostiziert er seine eigene Flatterhaftigkeit, zu den Superkräften der Superwoman gehört an erster Stelle die Tatsache, dass sie sich niemals verliebt. “I was so scared of you / but I needed you”, heißt die passende Zeile in Empty Streets, dem letzten Lied des Albums, auch hier ist eine Faszination gemeint, der man sich gerne ergibt.
Manchmal verfallen Kakkmaddafakka bei der Musik dazu etwas zu sehr ins Indiepop-Schema F wie in Change oder Lilac. Aber oft gelingen ihnen herrliche Popsongs, in denen Melancholie steckt, aber auch Unverbindlichkeit und Wankelmut, ebenso wie eine Andeutung von Witz und Gefahr. Genau deshalb wird es bei Kakkmaddafakka nie in existenziellem Ausmaß traurig, selbst wenn sie mit religiöser Metaphorik von Schuld und Erlösung spielen: Sie wissen, dass immer etwas Neues (und eine Neue) kommen kann. Ihr Sound und ihr Gestus bleiben im Stadium von Sehnsucht und Verzehren, kippen niemals in Richtung zerstörerischen Schmerzes.
Auch ein vergleichsweise reifes Stück wie die Single Galapagos bewahrt sich so eine sehr reizvolle Leichtigkeit. „Das Leben dreht sich um Entdeckungen und Erfahrungen in und mit der Welt und den Personen um uns herum. Wir sind erfahrener geworden seit den Anfängen unserer Band und hatten dabei ausreichend Zeit zu verstehen, wie die kleinen und subtilen Prozesse ein Gesamtbild formen können. Und genau darum geht es in Galapagos”, sagt Axel Vindenes.
Wie gut sie das beherrschen, illustriert auch Young You: Das Intro klingt, als habe jemand Robbie Williams’ Feel einen Chinaböller (na gut: einen Tischknaller) in den Hintern gesteckt, und der Text dazu verspricht Trost durch die Aussicht auf Nächte, die gerade deshalb so unvergesslich sein werden, weil sie zuerst so beiläufig wirken. Das ist genau dasselbe höchst verführerische Rezept, nach dem auch die Songs von Kakkmaddafakka funktionieren.
Vollkommen frei von Echsen: das Video zu Galapagos.
Kakkmaddafakka sind bald auf Tour.
05.4. Saarbrücken – Garage
06.4. Köln – Gloria
07.4. Leipzig – Täubchenthal
08.4. Erlangen – E-Werk
09.4. Berlin – Huxleys
11.4. Hannover – Faust
12.4. Wiesbaden – Schlachthof
13.4. München – Freiheiz
14.4. Stuttgart – Im Wizemann
15.4. Heidelberg – Halle 02
16.4. Hamburg – Uebel & Gefährlich