Künstler | Kishi Bashi | |
Album | Lighght | |
Label | Joyful Noise | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Ich mag Geigen. Aber ich mag keine Geiger. André Rieu? Das personifizierte Fremdschämen. David Garrett? Da ist die Musik noch schlimmer als die Frisur. Owen Pallett? Ist live eine Offenbarung, aber zuhause würde ich mir sein Gefrickel nie anhören.
Kaoru Ishibashi, der sich für sein Musikerleben dankenswerterweise in das prägnantere Kishi Bashi umbenannt hat, ist Geiger. Er hat eine klassische Ausbildung an der Violine. Er gehört zum festen Live-Ensemble beispielsweise von Regina Spektor und Of Montreal. Und er beginnt sein zweites Album Lighght mit einem Track namens Début – Impromptu, das weitaus eher in die Oper seine Heimatstadt Seattle passen würde als ins, sagen wir, Crocodile, wo beispielsweise Nirvana und Death Cab For Cutie einige ihrer ersten Shows gespielt haben.
Später gibt es noch ein instrumentales Zwischenspiel mit dem ebenso blasierten Namen Impromptu No 1. Und zum Albumtitel Lighght, der einem One-Word Poem des Minimalisten Aram Saroyan entnommen ist, sagt Kishi Bashi: „The poem’s blatant assault on literary convention and classical form was attractive to me. Though I have studied classical composition, I prefer to take an unconventional path when it comes to creating and thinking about music.”
Das klingt nach Hirnfick und schwerer Kost. Trotzdem mag ich Kishi Bashi. Denn Lighght ist ein hoch originelles, faszinierendes, in mehrfacher Hinsicht fantastisches Album. Für sein Debüt 151a (2012) hat er viel Lob bekommen, und mit dem Nachfolger unterstreicht er, wie groß sein kreatives Potenzial ist.
Philosophize In It! Chemicalize With It! (an solche Songtitel muss man sich bei ihm gewöhnen) zeigt, dass es eine bisher für unmöglich gehaltene Schnittmenge zwischen Arcade Fire und dem Safri Duo gibt. Das Lied enthält einen Chor, eine Wall Of Sound und viel Drama, zugleich aber auch einen wilden, ansteckenden Bubblegum-Effekt – das ist so irre, wie es klingt. Das großartige The Ballad Of Mr. Steak klingt, als seien Phoenix vom Meistergeiger Maxim Vengerov (jawohl, den Namen habe ich gegoogelt) überfallen worden. Hahaha Pt. 1 integriert asiatische und osteuropäische Elemente, der Schlusspunkt In Fantasia ist ausgereift und zerbrechlich, leicht und erhaben wie die Musik von Air.
Das zweite prägende Element für Lighght neben der Geige ist Kishi Bashis offensichtliches Faible für die Seventies. Hahaha Pt. 2 wird eine Ode an dieses Jahrzehnt, mit Funk-Elementen, rüßckwärts laufenden Spuren und reichlich alten Synthies. Carry On Phenomenon wandelt auf den Spuren von ELO und Supertramp, auch ein Track wie Once Upon A Time In A Lucid Dream (In Afrikaans) dürfte Jeff Lynne feuchte Augen bescheren.
Dazwischen gibt es plötzlich Beschaulichkeit: Als fünftes Lied erklingt Bittersweet Genesis For Him And Her, mit gesprochenem Gesang, weitgehend akustisch und mit einem wahnsinnigen Hintergrund, der (wie der Rest des Songs) an Donovans Atlantis denken lässt. Die zweite Hälfte des Albums beginnt mit Q&A, einem zuckersüßen Liebeslied im Folk-Gewand rund um die Zeile „You are the answer to all my questions“. Man versteht gar nicht, wie man in solche Klangregionen gelangt ist, und dennoch fügt sich Q&A vollkommen schlüssig in die Dramaturgie von Lighght ein. Das ist durchweg wundervoll und klingt, als habe sich Kishi Bashi den Namen seines Labels diesmal zum Motto gemacht: Joyful Noise.
Diese Performance von Philosophize In It! Chemicalize With It! zeigt: Auch Kishi Bashis Outfits sind schräger als bei David Garrett.
httpv://www.youtube.com/watch?v=oLrTccve9uQ