Künstler | Koudlam | |
Album | Benidorm Dream | |
Label | Pan European Recording | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
50 Prozent Chaos und 50 Prozent Sinfonie nennt die Plattenfirma von Koudlam als Zutaten für sein zweites Album. Sogar Richard Wagner wird noch als Vergleich für die Musik des 1979 geborenen Franzosen herangezogen. Man kann Benidorm Dream aber auch viel einfacher zusammenfassen: Es ist schlecht.
Ihren Namen bekam die Platte, weil Koudlam die Tracks in einem Wolkenkratzer in Benidorm geschrieben hat. Wer schon einmal in der Urlaubshochburg im spanischen Süden war, wird zumindest diesen Titel gut gewählt finden: Man erkennt noch, was einmal schön war an Benidorm (der Strand, das Wasser, die Sonne). Aber wenn man sich heute dort umschaut, zwischen lauter Bettenburgen und billigen Nachtclubs, kann man allenfalls noch eine perverse Faszination spüren. Der Mensch wollte diese Schönheit zu sehr – und hat alles kaputt gemacht. Das ist auch das Prinzip bei Benidorm Dream.
Die Ouverture klingt gewaltig, angeberisch und monströs, das verfremdete Stimmsample darin könnte „It’s pretty nice“ bedeuten, aber auch „It’s a pain in the ass“ (passt auch beides zum zwiespältigen Charakter von Benidorm). Der Titelsong versucht, Atmosphäre und Wumms zu vereinen, mit dem Ergebnis, dass er letztlich keins von beiden erreicht. Driving My Own Condor ist eitel und nichtssagend. The Chinese Gig bleibt so konzeptlos, dass man einen Begriff wie „Song“ dafür nicht einmal in Anführungszeichen verwenden kann.
Besonders schlimm wirkt das, weil man Koudlam in jedem Moment anmerkt, wie ambitioniert er seine Musik angeht – nicht nur auf dieser Platte. Er hat, nach dem ersten Album Goodbye (2009), der EP Alcoholic Hymns (2011) und seiner Tätigkeit als Songwriter für andere Künstler zuletzt auch noch zwei tropische Opern namens Live At Teotihuacan und The Great Empire abgeliefert, zudem steuert er regelmäßig Musik zu zeitgenössischen Kunstprojekten bei.
Freilich hilft auch das größte Maß an Ehrgeiz nicht, diese krude Mischung aus R’n’B, Trance und Techno erträglich zu machen. In Negative Creep macht die Stimme auf Drill Instructor à la HP Baxxter, die darunter liegende Bass Drum ist genau von der Sorte, mit der man wunderbar lärmempfindliche Nachbarn quälen kann. Tycoon Of Love will sensibel wirken, klingt aber bloß weinerlich (und das ist eine Eigenschaft, die überhaupt nicht in dieses Genre passt). All For Nothing ist der Soundtrack zu dem Moment, in dem die Gorillaz in Selbstmitleid ertrinken. Der Album-Schlusspunkt Nostalgia bleibt weitgehend instrumental (bis am Ende eine Stimme wie aus einem Sprachcomputer erklingt) und belanglos, in jedem Fall ist er bei weitem nicht interessant genug, um eine Spielzeit von mehr als 12 Minuten zu rechtfertigen.
Es gibt ein paar sehr seltene Lichtblicke. The Landscapes bietet prototypische Synthieflächen, wie sie als Hintergrund für HipHop-Tracks der frühen 1990er beliebt waren. Das schräge Stoned beweist, dass Koudlam auch schon mal etwas von David Bowie gehört hat (allerdings leider aus dessen schlimmster Karrierephase). The Magnificent Bukkake (1756-1781) klingt wie eine unkreative, aber solide Fingerübung von Underworld, das ganz ruhig beginnende Garden schafft es immerhin, Dramatik zu inszenieren, wenn auch keine Leidenschaft. Und wenn man auf Parodien von Love-Parade-Hymnen steht, dann ist der Haudrauf-Techno von Transperu sicher die richtige Wahl.
Das ist letztlich das Deprimierende an der Musik von Koudlam: Sie will elaboriert sein, wahrscheinlich sogar bedeutend. Aber sie ist hohl und primitiv.